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Frankreich: Bericht „Wissenschaftliche Forschung angesichts der Herausforderungen im Bereich Energie“ veröffentlicht

Eine Arbeitsgruppe der französischen Akademie der Wissenschaften hat am 23. Januar 2013 einen Bericht zur wissenschaftlichen Forschung im Bereich Energie veröffentlicht. Der Bericht ist der Beitrag der Akademie zur aktuellen Debatte über die Veränderungen in den Energieversorgungssystemen Frankreichs. Die Arbeitsgruppe, bestehend aus zwei Präsidenten und 21 weiteren Akademie-Mitgliedern bzw. korrespondierenden Mitgliedern sowie weiteren 24 Experten, spricht in dem Bericht neun Empfehlungen zu Teilbereichen des französischen Energieversorgungssystems aus.

Der 250 Seiten umfassende Bericht "Wissenschaftliche Forschung angesichts der Herausforderungen im Bereich Energie“, der Arbeitsgruppe "Vorausschau im Bereich Energie" der Académie des Sciences, die unter der Leitung der Akademie-Mitglieder Sébastien Candel und Bernard Tissot seht, geht detailliert auf alle Optionen zur Modernisierung des französischen Energieversorgungssystems ein. An die Adresse der Politik spricht sie in ihrer Funktion als deren wissenschaftliche Beraterin neun Empfehlungen aus:

  1. Der zukünftige Energiebedarf könne nur durch Einsatz einer diversifizierten Mischung von Energiequellen befriedigt werden. Frankreich habe sich auf den nahenden Übergang zu einem geringeren Verbrauch fossiler Brennstoffe und einem größerem Einsatz von erneuerbaren Energien vorzubereiten, wobei gleichzeitig ihr intrinsisch intermittierender Charakter kontrolliert bzw. kompensiert werden müsse. Die Schwierigkeiten, die durch diesen Übergang ausgelöst würden, seien ernst, weil es für zwei größere Probleme Lösungen zu finden gelte: Energiespeicherung und Ausweitung des Stromnetzes; jeweils mit beträchtlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen.

    In diesem Zusammenhang spiele Kernenergie eine besondere Rolle, sie reduziere die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sie sichere eine Grundversorgung mit Elektrizität, die nicht durch erneuerbare Energien ersetz werden könne, und sie ermögliche wettbewerbsfähige Kosten pro Kilowattstunde. Die benötigten industriellen Einrichtungen und Kraftwerke bestünden bereits heute, die Informationen aus dem bestehenden Brennstoffkreislauf sowie die verfügbaren Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter garantierten die erforderliche Betriebssicherheit.

  2. Der Übergang auf ein geändertes Energieversorgungssystem („Energie-Übergang“) sei nur möglich, wenn nachhaltige Investitionen für Forschung, Entwicklung und Innovation geleistet würden. Diese Anstrengungen müssten auf alle Komponenten des zukünftigen Energie-Mix gerichtet werden, einschließlich auf die effizientere Nutzung von fossilen Brennstoffen, die Verbesserung von Produktionsverfahren für synthetische und biologische Brennstoffe sowie die Entwicklung von erneuerbaren und nuklearen Energietechniken. Ein Hauptziel müsse es sein, nach Lösungen für die wichtige Frage der Energiespeicherung zu suchen. Technologien zur CO2-Abscheidung und -Deponierung oder -Wiederaufarbeitung sollten erforscht werden, was angesichts des breiten Einsatzes kohlenstoffreicher Ressourcen nützlich sein könnte.

  3. Der Energieübergang werde nur dann möglich, wenn man sich gleichzeitig zur Effizienzsteigerung auch für die Reduzierung des Energieverbrauchs in allen Verbrauchsbereichen engagiere. Insbesondere im Wohnbereich (hochleistungsfähige Isoliermaterialen, Wärmespeicherung und –rückgewinnung) und beim Transport (neue Verbrennungstechnologien und Hybridkonstellationen aus Elektro- und  Verbrennungsmotoren). Das würde den Einsatz bekannter Lösungen erfordern sowie die Erforschung innovativer Ansätze. Gebäudenormen, die kürzlich veröffentlicht wurden, würden wirkungsvolle Verbesserungen bei neuen Gebäuden ermöglichen, aber nicht die Probleme mit bestehenden Gebäuden lösen.

  4. Die in hohem Maße intermittierende Natur erneuerbarer Energien werfe Probleme im Hinblick auf den Ausfall von Stromerzeugung sowie auf deren Einspeisung in das Netz auf. Diese Fragen bedürften prioritärer Behandlung. Jede Entwicklung von Wind- und Solarenergie in großem Maßstab erfordere eine ausgeprägte Vernetzung, um die Leitungskapazität zu erhöhen sowie den Transport über große Distanzen zu ermöglichen, wobei gleichzeitig die sogenannte smart-grid-Technologie voll genutzt werden müsse. Die Entwicklung aller Arten der Energiespeicherung müsse als eines der Schlüsselelemente für die Sicherung einer erfolgreichen Einbindung erneuerbarer Energiequellen gesehen werden.

  5. Mit der Aussicht auf eine Verringerung (oder Abflachung) der Förderung von Erdöl dürfe es nicht versäumt werden, Analysen anzugehen, um die Möglichkeit der Nutzung nicht-konventioneller Kohlenwasserstoffe zu prüfen, insbesondere von Schiefergas. Das führe dazu, dass man die bestehenden Reserven unter Rücksichtname auf Umweltzwänge bewerten müsse. In diesem Bereich könne man auf Erfahrungen zurückgreifen, die in anderen Ländern gemacht worden sind, um auf dieser Grundlage technische Verfahrensspezifikationen und damit zusammenhängende Regulierungen und Standards zu entwickeln. Die Energiezukunft sei zu unsicher, als dass man dieses Potenzial ignorieren könne; man müsse zumindest mit einer Bewertung der bestehenden Reserven beginnen.

  6. Die Auswahl möglicher Energiepolitiken müsse auf der Basis einer wissenschaftlichen Bewertung des gegenwärtigen Standes von Forschung, Technologie, industrieller Kapazitäten und Stärken sowie einer begründeten Bewertung der Umweltbelastungen und damit zusammenhängender Risiken erfolgen. Diese Auswahl müsse geleitet sein von grundlegenden wirtschaftlichen Zielen, einschließlich der Reduktion des Umfangs importierter fossiler Brennstoffe (deren Kosten einem wesentlichen Teil der französischen Handelsbilanz entsprechen und für die man unausweichlich eine zukünftige Verknappung erwarten könne) sowie von dem nationalen Ziel der Energieunabhängigkeit.

  7. Das Lösen energiespezifischer Probleme erfordere eine Kombination aus Grundlagenforschung sowie technologischer und industrieller Forschung und Entwicklung. Jede Anstrengung müsse unternommen werden, um die fundamental wichtige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Forschung und industrieller Forschung und Entwicklung zu fördern. Auch wäre es nützlich, größere wissenschaftliche Kooperationsprogramme auf europäischer und internationaler Ebene im Bereich Neuer Technologien zu fördern. Mit dem Ziel, sterilen Wettbewerb und Mittelvergeudung zu vermeiden. Die Definition von Prioritäten und die Verabschiedung von Entwicklungsprogrammen sowie Bereitstellung von Fördermitteln sollte integraler Bestandteil jeglicher zukünftiger Energiepolitik sein.

  8. Ein Teil der Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Energie-Mix hänge mit der gesellschaftlichen Akzeptanz möglicher Lösungen zusammen. Damit die Probleme und Schlüsselfaktoren von der Öffentlichkeit richtig verstanden werden, sollte eine tragfähige Bildungs-, Erklärungs- und Informationspolitik entwickelt werden, die von der Grundschule an das Verständnis für wissenschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Herausforderungen erhöht.

  9. Frankreich solle seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in Bereichen konzentrieren, in denen das Land klare Aktiva hat, mit Laboratorien und Industriefirmen kritischer Größe. Es sollte auch Stätten der Berufsausbildung im Bereich der Energie auf allen Ebenen fördern.  
Quelle: Académie des Sciences Redaktion: Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Energie Strategie und Rahmenbedingungen Umwelt u. Nachhaltigkeit

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