Längst wird die Literaturgeschichte nicht mehr als Geschichte von Nationalliteraturen erzählt, längst greift auch ein Verständnis von Archiven als nationalen Sammelorten zu kurz. Neben literarischen Zeugnissen und Dokumenten von Autoren mit weltliterarischem Anspruch wie Goethe, Wieland, Kafka, Celan oder Bernhard sind in den 1.400 Nachlässen des Deutschen Literaturarchivs mit den umfangreichen Exilbeständen und den zahlreichen Verlagsarchiven längst auch Protagonisten einer internationalen Literatur-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte vertreten und laden zu komparatistischen Erkundungen ein – von Theodor W. Adorno, Samuel Beckett und Hilde Domin bis hin zu Gershom Scholem und Octavio Paz. Mit Erich Auerbach ist ein Gründungstheoretiker einer „Philologie der Weltliteratur“ (1952) im Archiv zu finden.
Wie die Zentralisierung von Beständen im Archiv immer schon vom internationalen literatur-, ideen- und wissenschaftsgeschichtlichen Austausch und seiner schriftlichen Dokumentation unterlaufen wird, so liegt die Zukunft eines großen Archivs ebenso in der Sammlung im eigenen Haus wie auch in dezentralisierten, multilateralen Ansätzen. Initiativen, wie sie Marbach im Rahmen eines grossen, vom Auswärtigen Amt geförderten Forschungs- und Erschließungsprojekts in Israel durchführt, zeigen die Notwendigkeit, über ‚Global Archives‘ in ihren je singulären Situationen nachzudenken – forschungs- wie bestandsbezogen, provenienzgeschichtlich wie begriffspolitisch.
Im Rahmen der Internationalen Sommerschule diskutieren 20 internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Konzepte von Weltliteratur und beleuchten die Prämissen der gegenwärtigen literatur- und wissenschaftsgeschichtlichen Diskussion. Die Sommerschule greift die Problemstellungen gegenwärtiger Forschung auf und konfrontiert sie mit dem Archiv, der Bibliothek, dem Museum, mit Formen der Sammlung, Kategorisierung, Interpretation und Inszenierung von einzigartigen historischen Zeugnissen und Objekten.
Die Sommerschule findet im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbunds Marbach Weimar Wolfenbüttel statt. Sie ermöglicht über das Deutsche Literaturarchiv und seine Bestände hinaus einen Ausblick auf die Klassik Stiftung Weimar und die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die 2016 und 2017 die Sommerschule des Forschungsverbunds ausrichten werden.