StartseiteAktuellesNachrichtenFrankreich: Das Gesetzgebungsverfahren zur Revision des Bioethikgesetzes von 1994 / 2004 ist abgeschlossen

Frankreich: Das Gesetzgebungsverfahren zur Revision des Bioethikgesetzes von 1994 / 2004 ist abgeschlossen

Nach der Nationalversammlung (21.6.2011) hat auch der Senat in seiner Sitzung vom 23.6.2011 die Empfehlungen des Vermittlungsausschusses angenommen. Danach bleibt die Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen auch in Zukunft - vorbehaltlich der Möglichkeit eng begrenzter Ausnahmegenehmigungen - untersagt.

Es bleibt auch bei der Anonymität der Spende von Samen und Eizellen (Gameten) sowie beim Verbot der Implantation eines Embryo nach dem Tode des Vaters, der Leihmutterschaft sowie der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfestellung zur Kindeszeugung für gleichgeschlectliche Paare.

Die Meinungen zu den Vorschlägen, die in der parlamentarischen Diskussion auf eine Lockerung des Gesetzes vom 6.8.2004 abzielten, waren in der Nationalversammlung und im Senat sowohl  bei den Mehrheitsparteien als auch bei der Opposition geteilt.

Der der Mehrheitspartei UMP angehörende Berichterstatter des Vermittlungsausschusses, Senator Alain Milon (Arzt; Departement Vaucluse), hatte sich nachhaltig - ohne Erfolg - um die Auflockerung einiger zentraler Bestimmungen der bisherigen Gesetzesfassung bemüht. Er stimmte im Senat - obwohl Berichterstatter für den Senat im Vermittlungsausschuss, in dem er das Zustandekommen der Empfehlungen ermöglicht hatte - gegen die Annahme der Empfehlungen des Vermittlungsausschusses: "Wir haben es nicht geschafft, unser Recht im Gleichklang mit unserer Gesellschaft fortzuentwickeln". Besonders starke Kritik übte er an der Bestimmung zur Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen. Sie stelle unbestreitbar einen Rückschritt gegenüber dem Gesetz von 2004 dar. Er bezeichnete die Tatbetände, bei deren Vorliegen eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann als "Ausdruck einer Ideologie und nicht des Rechts" und nannte sie besonders zweideutig.

Auch die Vorsitzende des Vermittlungsauschusses und Vorsitzende des Senatsausschusses für Soziale Angelegenheiten Muguette Dini - Mitglied der Gruppe des Zentrums im Senat - beklagte den "tiefen Irrtum, den die Bestimmung zur Embryonenforschung darstelle". Auch sie stimmte im Senat gegen die Annahme der Empfehlungen des Vermittlungsausschusses, in dem sie sich der Stimme enthalten hatte.

Die französische Regierung sprach sich in der Nationalversammlung und im Senat für die Annahme der Empfehlungen des Vermittlungsauschusses aus. Die Staatssekretärin für Gesundheit Nora Berra führte in der Sitzung der Nationalversammlung vom 21.6.2011 aus, seit der Annahme des ersten Bioethikgesetzes im Jahre 1994 habe sich der Sockel der in diesem zum Ausdruck kommenden Prinzipien allem Anschein nach bewährt. In ihrem Plädoyer für die Annahme der Empfehlungen des Vermittlungsauschusses behandelte sie hauptsächlich die Fortschritte, die der Gesetzentwurf in seiner jetzt vorliegenden Form für die Patienten und ganz allgemein für Personen und ihre Rechte gegenüber den biomedizinischen Techniken bedeute. Die Patienten erhielten künftig von Seiten der "Agence de biomédecine" eine verstärkte Information zu dem Interesse und zu den Grenzen biomedizinischer Anwendungen (z.B. bei genetischen Tests und pränataler Diagnostik). Sie unterstrich insbesondere:

  • den Schutz der Patienten und ihrer Rechte als Gegenstand verstärkter Aufmerkamkeit (z.B. Information der Verwandtschaft, wenn als Ergebnis eines genetischen Tests eine schwerwiegende genetische  Krankheit diagnostiziert wird);
  • die Bekräftigung des Schutzes von Organspendern vor Diskriminierungen durch Versicherungen;
  • die gesetzliche Gewährleistung, dass die Anwendung bildgebender Verfahren des Gehirns nur zu rein medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken Verwendung finden dürfen;
  • die Erleichterung von Organspenden unter Lebenden und unter bestimmten Voraussetzungen die Spende von Gameten;
  • die Zustimmung des Parlaments zu der Ratifikation der Konvention von Ovieto vom 4.4.1997 betreffend die "Menschenrechte und die Biomedizin";
  • die künftig im Gesetz vorgesehene Stärkung des "débat public" in Sachen Bioethik ("Es ist unverzichtbar, die Bürger in diesem Bereich zu Wort kommen zu lassen");
  • die im Einzelnen formalisierte Berichtspflicht der "Agence de biomédecine" zu den Fortschritten der Embryonenforschung einschließlich einer vergleichenden Darstellung der Forschung an embryonalen Stammzellen und anderen pluripotenten Zellen;
  • die Einführung einer Berichtspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament betreffend die ethischen Aspekte neuer einschlägiger Wissenschaften.

Zu der Frage der Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen leitet die Staatssekretärin die Beibehaltung des grundsätzlichen Verbots u.a. aus Artikel 2 der Konvention von Ovieto ab, wonach "das Interesse und das Wohl des Menschen gegenüber dem ausschließlichen Interesse der Gesellschaft und der Wissenschaft"  Vorrang haben müssen.

Die von der Regierung vertretene Linie setzte sich schließlich sowohl in der Nationalversammlung (21.6.2011) und im Senat (23.6.2011) trotz mancher Widerstände auch im Lager der die Regierung tragenden Fraktionen / Gruppen  bei der  abschließenden Abstimmung über die Empfehlungen des Vermittlungsauschusses durch.

Das vom Parlament mehrheitlich verabschiedete Gesetz ist vom Staatspräsidenten noch nicht verkündet worden. Da sowohl die Nationalversammlung als auch der Senat den Empfehlungen des Vermittlungsauschusses zugestimmt haben, dürfte einer baldigen Verkündung des Gesetzes im Journal Officiel nichts entgegenstehen.

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