StartseiteAktuellesNachrichtenFrankreich: Französischer Rechnungshof legt Bericht über die Kosten der Kernenergie („Les coûts de la filière électronucléaire“) vor

Frankreich: Französischer Rechnungshof legt Bericht über die Kosten der Kernenergie („Les coûts de la filière électronucléaire“) vor

Der Rechnungshof entspricht damit dem gegenüber dem Präsidenten des Rechnungshofs von Premierminister Francois Fillon mit Schreiben vom 17.Mai 2011 übermittelten Wunsch. Der 430 Seiten umfassende Bericht analysiert auf der Grundlage des Preisniveaus des Jahres 2010 die in der Vergangenheit angefallenen Ausgaben, die laufenden jährlichen Betriebskosten und die in ihrer Höhe ihrer Natur unsicheren künftigen Ausgaben.

Der Bericht weist für die Vergangenheit folgende staatlichen und privatwirtschaftlichen  Ausgaben aus (Gesamtsumme: 188 Milliarden Euro):

  • Bau von 8 KKW der 1. Generation (im Wesentlichen in den Jahren 1960): 6 Milliarden Euro
  • Bau des Reaktorparks der 2. Generation (1970 - 2002; 58 Leichtwasserreaktoren) : 96 Milliarden Euro
  • Ausgaben für den Brennstoffkreislauf: 19 Milliarden Euro
  • F+E-Ausgaben: 55 Milliarden Euro; sie entsprechen fast der Hälfte der eigentlichen Baukosten
  • Superphénix: 12 Milliarden Euro (Schneller Brüter)

Seit dem Jahre 1957 wurden in Frankreich durchschnittlich  jährlich 1 Milliarde Euro - in Preisen von 2010 - für die Kernenergie aufgewandt, davon mehr als 2 Drittel aus öffentlichen Mitteln.

Die laufenden Betriebsausgaben belaufen sich - unter Ausschluss der Ausgaben für notwendige Instandhaltungsarbeiten - pro Jahr auf 8,95 Milliarden Euro; ihr jährlicher Rhythmus für EDF dürfte sich - so der Rechnungshof - unter Berücksichtigung der Vorgaben, welche die Autorité de sûreté nucléaire aus den Erkenntnissen des Reaktorunfalls von Fukushima heraus gegeben habe, in den nächsten 15 Jahren verdoppeln.

Der Rechnungshof hatte im Jahre 2005 einen ersten Bericht zu den voraussichtlichen Rückbaukosten der französischen KKW und zu den Kosten der Entsorgung der radioaktiven Abfälle vorgelegt.

Die in ihrer Höhe unsicheren Ausgaben für den Rückbau der derzeitigen 58 KKW werden vom Rechnungshof auf 18,4 Milliarden Euro geschätzt, diejenigen der langfristigen Entsorgung der radioaktiven Abfälle auf 28,4 Milliarden Euro; diese Schätzung sei jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet, da die Lagerung der langlebigen Abfälle in geologischen Tiefenformationen noch nicht endgültig sei. Internationale Referenzwerte stünden nicht zur Verfügung. Insgesamt geht der Rechnungshof davon aus, dass die Gesamtkosten der Kernenergieerzeugung pro MWh steigen werden. Auf der Grundlage des Kostenniveaus des Jahres 2010 geht er von durchschnittlichen Produktionskosten von 49,5 Euro pro MWh aus. Der Rechnungshof bezeichnet die Laufzeitdauer der gegenwärtig in Betrieb befindlichen KKW als einen entscheidenden Faktor für deren Gesamtkosten.

Für den Fall, dass 22 der heute 22 KKW, die ursprünglich auf eine Laufzeit von 30 Jahren ausgelegt waren, im Jahre 2022 nach einer vierzigjährigen und ggf. längeren Laufzeit abgeschaltet werden müssten, wäre nach Auffassung des Rechnungshofes bis zu diesem Zeitpunkt der Bau von 11 KKW der 3.Generation (EPR) notwendig, wenn die Kernenergieproduktion auf ihrem gegenwärtigen Niveau (74 % der französischen Elektrizitätserzeugung) aufrechterhalten werden soll. Das wäre kurz- und mittelfristig mit äußerst bedeutsamen Investitionsausgaben verbunden. EDF geht bei seinen Planungsüberlegungen von einer Laufzeit der gegenwärtig in Betrieb befindlichen KKW der 2. Generation von 60 Jahren aus.

Der Rechnungshof hielt es für dringend erwünscht, dass die insoweit schon bald zu treffenden Investitionsentscheidungen nicht implizit, sondern auf der Grundlage einer energiepolitischen Strategie betreffend die Zusammensetzung des französischen Energiemix öffentlich in voller Transparenz diskutiert und von den zuständigen staatlichen Organen getroffen werden. Zum Inhalt dieser energiepolitischen Strategie enthalte sich der Rechnungshof - so der Erste Präsident des Rechnungshofes Didier Migaud - anlässlich der Präsentation des Berichts am 31.1.2012 einer Stellungnahme.

Der Bericht sieht - vor allem wegen der Kürze der für seine Erstellung zur Verfügung stehenden Zeit (7 Monate) - bewusst von einem Kostenvergleich zwischen der Kernenergie und anderen Formen der Energieerzeugung ab.

In dem Bericht werden in einem besonderen Abschnitt als „offene Fragen“ / Problemstellungen („questions en suspens“) bezeichnet:

  1. Die positiven und negativen Einflussfaktoren der verschiedenen Energieformen. Sie dürfen über der Bedeutung der Kostenfrage der Kernenergie  nicht vernachlässigt werden.
  2. Die Bezifferung der Kosten, die mit  den ergänzenden Evaluierungen der Sicherheitsfrage nach dem Reaktorunfall von Fukushima verbunden sind (Bericht der Autorité de sûreté nucléaire / ASN vom 3.1.2012).
  3. Die Konsequenzen der Finanzkrise auf die Vermögensanlagen für zweckgebundene Rücklagen.
  4. Die Dauer der Laufzeiten der heute in Betrieb befindlichen KKW als „strategische Variabel“.
  5. Die Notwendigkeit, die Transparenz hinsichtlich der Bezifferung der in Frage stehenden finanziellen Größenordnungen beizubehalten und regelmäßig die dem jetzt vorgelegten Bericht zugrunde liegenden Fakten zu aktualisieren.
Quelle: Cour des comptes www.ccomptes.fr Redaktion: von Miguel Krux Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Energie Infrastruktur

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