StartseiteAktuellesNachrichtenFrankreich: Staatspräsident Hollande stellt Weichen für verbesserte palliative Pflege von Schwerstkranken und für punktuelle Erleichterungen medizinischer Sterbehilfe

Frankreich: Staatspräsident Hollande stellt Weichen für verbesserte palliative Pflege von Schwerstkranken und für punktuelle Erleichterungen medizinischer Sterbehilfe

Damit löst Hollande ein am 17.7.2012 während des Präsidentschaftswahlkampfes gegebenes Versprechen ein.

Palliativmedizin und palliative Pflege

In einer Grundsatzansprache anlässlich eines Besuchs des medizinischen Zentrums „Notre Dame du Lac“ in Ruel-Malmaison verpflichtet sich der Staatspräsident, schon in den nächsten Monaten die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der derzeitigen  Lage in die Wege zu leiten.

Er lässt sich hierbei von der Überzeugung leiten, dass es für die politisch Verantwortlichen eine Verpflichtung sei, im Rahmen des Möglichen allen Kranken im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung weiteres Leiden zu ersparen: „ Die Tatsache, sich umgeben zu fühlen, verstanden, gehört und respektiert zu werden, kann es diesen Personen erlauben, diese schwierigen Augenblicke als vollwertigen Teil ihres Lebens durchzustehen“.

Auch wenn sich seit dem Jahre 2001 mit heute fast 5000 Betten für eine medizinische Begleitung und palliative Pflege deren Zahl verzwanzigfacht habe, sei dies – so François Hollande -  noch immer sehr unzureichend. Man sei in Frankreich weit davon entfernt, zwei Drittel der Kranken, für die eine palliative Pflege in Betracht komme, eine entsprechende Anzahl von Betten zur Verfügung stellen zu können. In die zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation anzustellenden Überlegungen müssten auch Tageskliniken, palliative Pflege zuhause oder in Altersheimen einbezogen werden. Weiter bedürfe die Frage der Kostentragung, die durchaus den Charakter einer Investition habe, einer finanziellen Evaluierung der Vor- und Nachteile der hierbei in Betracht zu ziehenden Maßnahmen.

Er habe – so der Staatspräsident – der Ministerin für soziale Angelegenheiten einen entsprechenden Auftrag erteilt. Von vorrangiger Bedeutung sei auch die Aus- beziehungsweise Weiterbildung der verschiedenen in die multidisziplinäre palliative Pflege einzubeziehenden Berufe (Ärzte, Pflege- und Verwaltungspersonal).

An den Universitäten müsse die Forschung zu Fragen der palliativen Pflege entwickelt und ihre Finanzierung gesichert werden.

Ärztliche Sterbehilfe

Der Staatspräsident spricht von dem Recht jedes Einzelnen zu sterben; dieser Formulierung zieht er die Worte „in Würde zu leben vor“. Er sieht in beiden Formulierungen den Ausfluss einesdroit fondamentaleines Jeden, sein Leben im umfassendsten Sinne zu leben. Es sei nicht Aufgabe der Gesellschaft, über das Lebensende des Einzelnen zu befinden, es zu definieren oder es festzulegen. Er sieht in der „Loi Léonetti“ vom 22.4.2005 einen großen Fortschritt auf diesem Weg, indem es festlegt, dass jeder Kranke jede Behandlung ablehnen kann, von der er glaubt, dass sie nicht mehr mit dem Maßstab der Vernunft zu vereinbaren sei („acharnement thérapeutique“).

François Hollande wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob man in solchen Ausnahmefällen, in denen nach von Patient und Arzt gemeinsam getragener Überlegung der Abbruch einer therapeutischen Behandlung allein nicht genüge, um den von unabänderlichen Schmerzen erfassten Patienten Erleichterung zu verschaffen, nicht weitergehen müsse. Er wirft einige Fragen hierzu auf; Antworten auf diese erwartet er von Professor Didier Sicard, dem Ehrenpräsidenten des „Comité Consultatif National d‘ Éthique“ (CCNE). Auf der Grundlage der von ihm zusammen mit einer Expertengruppe („mission“) gemachten Vorschläge werde das CCNE befasst; dieses könne alsdann im Rahmen seiner Aufgaben und Zuständigkeiten über die Vorschläge beraten.

Der Staatspräsident erwartet den Bericht der „Mission Sicard“ gegen Ende des Jahres 2012.

Le Figaro (Sciences) vom 18.7.2012 widmet dem Problem unter dem Titel „Hollande rouvre le débat sur l‘ euthanasie“ eine ganzseitige Darstellung, in der sowohl Didier Sicard als auch Jean Léonetti (UMP) zu Wort kommen. Le Monde vom 17.7.2012 gibt seiner Berichterstattung die Überschrift „Hollande relance le débat sur l‘ euthanasie“.

Quelle: http://www.lavie.fr, Le Figaro, Le Monde Redaktion: von Miguel Krux Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Ethik, Recht, Gesellschaft Lebenswissenschaften

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