StartseiteAktuellesNachrichtenGrundlegende Reform der dualen Berufsausbildung in Frankreich

Grundlegende Reform der dualen Berufsausbildung in Frankreich

Berichterstattung weltweit

Eine stärkere Orientierung am Bedarf des Arbeitsmarktes, mehr Flexibilität für Auszubildende und Unternehmen und ein 500 Euro-Zuschuss zum Führerschein: Die duale Berufsausbildung soll in Frankreich deutlich attraktiver werden.

Der französische Premierminister Edouard Philippe und die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud haben am 9. Februar 2018 die Regierungspläne für eine grundlegende Reform der dualen Berufsausbildung bekannt gegeben. Denn obwohl die duale Ausbildung gute Berufschancen bietet, hat sie in Frankreich nach wie vor einen schlechten Ruf und gilt als eine Art letzte Chance für Jugendliche ohne sonstige Perspektiven.

Wie Philippe bekannt gab, sollen zukünftig Berufsschulen ohne vorherige Zustimmung der Regionen oder gar, wie bisher gelegentlich notwendig, des Staates eröffnet und so schneller auf die Nachfrage am Arbeitsmarkt reagiert werden können. Damit soll die bisher herrschende „Verwaltungslogik“ beendet werden. Die bisher zentral steuernden Regionen werden jedoch mit jeder Branche regionale Entwicklungspläne verabschieden, die den erwarteten Ausbildungsbedarf und die Ausgaben für Berufsschulen festhalten. Die freie Eröffnung neuer Berufsschulen stehe jedoch absolut im Zentrum der Reform.

Die Ausbildungssteuer, die Unternehmen aktuell in Höhe von 0,68 Prozent ihrer Lohnsumme für Ausbildungszwecke abführen müssen, wird abgeschafft. Bisher erhielten die Regionen 51 Prozent dieser Steuereinnahmen zur Finanzierung der dualen Ausbildung und insbesondere der Berufsschulen. Stattdessen wird eine „Ausbildungsabgabe“ in Höhe von 0,85 Prozent eingeführt, die bis zu vier Milliarden Euro einbringt und in Abhängigkeit der Anzahl an Lehrlingen direkt an die Berufsschulen ausgezahlt wird. Etwa 250 Millionen Euro verbleiben bei den Regionen, um nicht ausgelastete Berufsschulen in ländlichen Gebieten oder schwierigen Stadtvierteln zu unterstützen. Weitere 150 Millionen Euro sollen sie aus der Kraftstoff-Steuer (Taxe intérieure de consommation sur les produits énergétiques, TICPE) erhalten und die Lehrlingsbeihilfen sollen zudem komplett über die Regionen ausgezahlt werden. Auch hier soll vereinfacht und die bestehenden unterschiedlichen Subventionen vereinheitlicht werden.

Diese beiden Teile der Reform stellen perspektivisch die Hochschulen vor neue Herausforderungen: Bisher stand es den Unternehmen frei, bis zu 23 Prozent der Ausbildungssteuer für Programme zur Verfügung zu stellen, in denen es keine Lehrlinge gibt. Spezialisierte Hochschulen aber auch Universitäten erhalten auf diesem Weg finanzielle Unterstützung, insbesondere für duale Studiengänge. Für die hochselektiven Grandes Écoles stellt dieser Beitrag sogar bis 20 Prozent ihres Budgets dar. Hier soll es eine Übergangsphase geben. Auch ist noch nicht geklärt, wie es mit branchenübergreifenden Ausbildungsangeboten wie etwa im Bereich Marketing weitergeht, die insbesondere in Form von dualen Studiengängen an Hochschulen angeboten werden.

Um mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu interessieren, wird Lehrlingen zukünftig ein Zuschuss von 500 Euro zum Führerschein angeboten. Zudem wird das Lehrlingsgehalt für die 16- bis 20Jährigen um 30 Euro netto pro Monat erhöht. Die Altersgrenze für eine Lehre wird auf 30 Jahre angehoben und Interessenten erhalten umfangreiche Informationen über Berufschancen und Gehalt pro Berufsschule. Unternehmen können künftig ohne Rücksicht auf das Schuljahr zu jedem Zeitpunkt Auszubildende einstellen und die Arbeitszeit-Regelungen werden je nach Branche flexibilisiert. Und sollte ein Unternehmen einen Lehrlingsvertrag kündigen wollen, muss es dafür nicht mehr vor das Arbeitsgericht ziehen. Gleichzeitig dürfen Lehrlinge noch sechs Monate weiter die Berufsschule besuchen, falls sie ihre Ausbildung abbrechen. Dies betrifft etwa 25 Prozent der Lehrlinge, die bisher direkt vom Unterricht ausgeschlossen wurden und bis zu ein Jahr verloren.

Unter den 20 Maßnahmen wird auch erwähnt, dass 15.000 Lehrlinge von Erasmus Pro profitieren und ins Ausland gehen sollen (2017: 6.800). Nähere Erläuterungen zum Thema der Vereinfachung der Auslandsmobilität französischer Lehrlinge, wie sie kürzlich vom Europa-Abgeordnete Jean Arthuis vorgeschlagen wurden, gab es nicht.

Die Reform steht in engem Zusammenhang mit der Reform der Weiterbildung und der Arbeitslosenversicherung.

Zum Nachlesen (Französisch):

Quelle: Le Monde Redaktion: von Kathleen Schlütter, Deutsch-Französische Hochschule Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Berufs- und Weiterbildung Förderung Strategie und Rahmenbedingungen Fachkräfte

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