Zwei Länder, ein Doktorhut – das sogenannte Cotutelle-Verfahren wird immer beliebter. In den vergangenen vier Jahren haben etwa 60 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin ihre Promotion an zwei Universitäten begonnen. Beim Cotutelle-Verfahren handelt es sich um einen Doktortitel, der von zwei Universitäten verliehenen wird und auf einer Forschungsarbeit an zwei Universitäten basiert – und nicht, wie zum Teil missverstanden wird, um zwei unterschiedliche Doktorgrade. Durch die neuen Musterverträge soll das Verfahren nun vereinfacht werden.
„Mit den Musterverträgen soll das Verfahren für die Promovierenden, aber auch für Betreuerinnen und Betreuer, Prüfungsämter und Promotionsausschüsse einfacher und transparenter werden. Bislang gab es immer wieder Hürden aufgrund von Bedürfnissen der jeweiligen Universitäten, Betreuer oder Promovierenden zu bewältigen, da jede Universität ihre eigenen Prüfungs- und Promotionssitten pflegt und das Problem der Verhandlung über die Inhalte der Verträge von verschiedenen zuständigen Stellen wahrgenommen wurde“, sagt Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung an der Humboldt-Universität. So gibt es beispielsweise in England und Frankreich eine strikte Trennung zwischen Betreuer und Gutachter, sie dürfen nicht eine Person sein, wie das etwa in Deutschland der Fall ist. Manche Länder wie die USA kennen keine Notenskala, sondern nur bestanden oder nicht bestanden. Dies gilt es zu berücksichtigen, um spätere Konflikte zu vermeiden.
Besonders attraktiv ist die Möglichkeit des binationalen Promotionsverfahrens für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die beispielsweise noch offen lassen möchten, in welchem Land sie später arbeiten wollen, oder deren Forschungsschwerpunkt stark mit dem anderen Land verbunden ist. „Als ich meine Promotion im Fach Philosophie an der italienischen Universität Padua begonnen habe, wollte ich grundsätzlich mein Forschungsprofil internationalisieren: mein Promotionsthema zum politischen Denken des Philosophen Ernst Cassirers erforderte eine enge Verknüpfung mit der deutschen Forschungslandschaft und eine tatsächliche Anwesenheit vor Ort zum Recherchieren in den Bibliotheken und Archiven“, sagt Pellegrino Favuzzi, der das Cotutelle-Verfahren an der Humboldt-Universität kürzlich erfolgreich abgeschlossen hat. Der HU-Mustervertrag regelt unter anderem die Zeit, die ein Doktorand an der Partneruniversität geforscht haben sollte – nämlich mindestens ein Jahr von insgesamt drei Jahren. Die Verteidigung der Promotion erfolgt hingegen an nur einer Universität, sie könnte auch per Videokonferenz durchgeführt werden.
„Das Cotutelle-Promotionsverfahren hat mir längere Aufenthalte an zwei europäischen Hochschulen – nicht nur als Gast, sondern als Mitglied der Einrichtungen – unter den besten formalen Bedingungen ermöglicht; und damit die besten Voraussetzungen für eine Integration in beide Forschungs- bzw. Arbeitswelten geschaffen. Die internationale Erfahrung durch das Cotutelle-Verfahren ermöglichte mir einen unersetzbaren Schritt zur persönlichen Weiterqualifizierung in der Wissenschaftswelt und entspricht einem unter Wissenschaftlern immer stärker wahrgenommenen Bedürfnis, die heute erforderliche Mobilität mit dem Aufbau einer neuartigen Stabilitätsform zu versöhnen“, so Favuzzi.