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IAMO Forum 2016 zum Wandel von Beschäftigungsverhältnissen in ländlichen Räumen

Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Vom 22. bis 24. Juni trafen sich 119 internationale Expertinnen und Experten aus 26 Nationen in Halle (Saale) zum diesjährigen Forum des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien IAMO.

In ländlichen Räumen braucht es angemessene Beschäftigungsmöglichkeiten und eine Förderung der Aus- und Weiterbildung. Das IAMO Forum 2016 fand zum Thema "Rural Labor in Transition: Structural Change, Migration and Governance" vom 22. bis 24. Juni in Halle (Saale) statt. Schwerpunktthema der Konferenz war in diesem Jahr der Wandel von Beschäftigungsverhältnissen in ländlichen Räumen, dabei ging es um Strukturwandel, Migration und die Rolle der Regierungen.

In ihren Präsentationen und Vorträgen gaben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Empfehlungen zur Reduzierung informeller Beschäftigungsverhältnisse und stellten heraus, welche Faktoren die Lohn- und Einkommenssituation in der Landwirtschaft verbessern würden. Die Konferenz wurde vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) und dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) organisiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Edmund Rehwinkel-Stiftung, dem Land Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle (Saale) unterstützt.

Die Präsentationen und Diskussionen der vier Plenar- und 18 Parallelsitzungen sowie einer Podiumsdiskussion fokussierten auf Bedrohungen und Herausforderungen für ländliche Arbeitsmärkte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer debattierten insbesondere über die Auswirkungen des Strukturwandels auf die Beschäftigung in der Landwirtschaft und die vielfältigen Effekte der innerstaatlichen und internationalen Migration für ländliche Arbeitsmarkte und ländliche Entwicklung. Am letzten Konferenztag diskutierten Vertreter internationaler Organisationen die Rolle staatlicher Regelungen zur Sicherung lebendiger und menschenwürdiger, also sozial verantwortbarer, ländlicher Arbeitsmärkte aus verschiedenen Perspektiven.

Eröffnet wurde das IAMO Forum 2016 von IAMO-Direktor Professor Thomas Herzfeld, der die Gäste im Namen der Konferenzausrichter begrüßte. Professor Hartmut Lehmann von der Universität Bologna, Italien, hielt den ersten Plenarvortrag zum Thema „Risk Attitudes, Informal Employment and Wages: Evidence from a Transition Country”. Auf Basis einer empirischen Analyse von Daten des Ukrainian Longitudinal Monitoring Survey mischte sich Lehmann in die aktuelle Debatte über informelle Beschäftigung ein. Er zeigte, dass die Risikoeinstellung einer Person, ein ausschlaggebender Faktor für die Aufnahme bzw. Nicht-Aufnahme einer informellen Beschäftigung ist.

Professor Oded Stark von der Universität Bonn erörterte in seinem Plenarvortrag "Social Preferences and Migration Outcomes“ die Frage, wie das relative Ranking von Haushalten Migrationsentscheidungen beeinflusst. Er stellte eine Reihe von theoretischen Thesen vor und diskutierte ihre Auswirkungen auf Migrationsbewegungen zwischen zwei Regionen.

Ein Höhepunkt des zweiten Konferenztages war die Plenarsitzung zum Thema "Rural Labor Markets in Transition Economies". Dr. Corrado Giuletti von der Universität Southampton, Großbritannien, stellte seine Forschung zur Land-Stadt-Migration in China vor. Der Fokus seiner Untersuchungen lag dabei auf der Rolle schwacher und starker Beziehungsnetzwerke ländlicher Haushalte, in dieser Studie definiert als Bewohnerinnen und Bewohner des gleichen Dorfes bzw. enge Familienmitglieder. Die Ergebnisse zeigen, dass beide Beziehungsnetzwerke die Entscheidung Einzelner, ebenfalls in städtische Räume zu migrieren, beeinflussen und dass sie in Wechselwirkung miteinander stehen: Starke Beziehungsnetzwerke sind notwendig, um schwache zu aktivieren.

Professor Alexander Danzer von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt präsentierte Forschungsergebnisse zur Zwangsarbeit im Baumwollsektor am Beispiel Tadschikistans. Der Sektor ist durch eine duale Betriebsstruktur gekennzeichnet, neben kleinen privaten landwirtschaftlichen Betrieben gibt es große halbstaatliche Unternehmen. Gemeinsam konkurrieren sie auf den lokalen Arbeitsmärkten um die Saisonarbeiterinnen für die Baumwollernte. Die empirischen Befunde stützen die Hypothese, dass Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter zusätzliche Einnahmen aufgrund gestiegener Baumwollpreise an regulär beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterreichen, nicht jedoch an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Es ist daher davon auszugehen, dass Privatisierung und ein kompetitiver Arbeitsmarkt zu einer Weitergabe steigender Weltmarktpreise an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen würde. Davon würden vor allem arme Haushalte profitieren.

Professor Hartmut Lehmann skizzierte weitere Aspekte und Ergebnisse seiner Studie zu den Auswirkungen von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Land-Stadt-Migration in der Ukraine. Neben der Risikoeinstellung spielen Eigenschaften wie Weltoffenheit und Gewissenhaftigkeit eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen Migration.

Außerdem präsentierte Dr. Norberto Pignatti von der International School of Economics an der Tbilisi State University (ISET), Georgien, Statistiken über Arbeitsmarktchancen im ländlichen Georgien. Die bisher von der georgischen Regierung ergriffenen Maßnahmen, wie die Förderung der Privatisierung von zuvor gepachteten Agrarflächen im Staatseigentum, Programmen zur landwirtschaftlichen Entwicklung oder der Einrichtung von Beratungszentren, haben die georgische Landwirtschaft bislang nicht grundsätzlich modernisiert. Stattdessen mangelt es auf lokalen Arbeitsmärkten an alternativen außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen. Der Strukturwandel im ländlichen Georgien benötigt neue Impulse.

Der dritte Konferenztag begann mit zwei Plenarvorträgen. Zunächst gab Dr. Johannes Koettl, Senior Economist bei der Weltbank im Bereich Social Protection and Labor Global Practice (GSPDR), einen Einblick in informelle Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der neuen Mitgliedsstaaten und der Beitrittskandidaten der Europäischen Union.

Es zeigt sich, dass tendenziell eher Männer einer Schwarzarbeit nachgehen, vor allem bei den Übergängen von der Ausbildung in die Berufstätigkeit und von der Berufstätigkeit in den Ruhestand, und dass mit besserer Ausbildung informelle Beschäftigung zurückgeht. Die Überführung von Schwarzarbeit in eine reguläre Beschäftigung ist in Ländern wie Bulgarien und Rumänien mit hohen finanziellen Einbußen verbunden. Das führt dazu, dass nur ein kleiner Anteil der arbeitenden Bevölkerung Einkommenssteuern zahlt und Beiträge zu den Sozialversicherungen entrichtet.

Koettl mahnte, dass Strukturreformen notwendig seien, aber nicht allein ausreichten, um formelle Beschäftigung rentabel zu machen. Die Leistungsfähigkeit der Regierung und das Vertrauen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihrer Regierung entgegenbrächten, seien maßgebliche Faktoren für beispielsweise die Steuermoral.

Anschließend erläuterte Dr. Cheng Fang von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die Anforderungen der FAO an menschenwürdige Beschäftigung in ländlichen Räumen. Neben dem Verbot von Kinderarbeit sowie übermäßig langer Arbeitsstunden, beinhalte dies, sogenannte Kernarbeitsnormen zu respektieren, für angemessene Lebensbedingungen und ein angemessenes Maß an Beschäftigungssicherheit und Stabilität Sorge zu tragen, und technische Schulungen sowie berufliche Ausbildung sicherzustellen. Fang erklärte, dass die Beschäftigung von Jugendlichen und die Teilhabe von Frauen Kernbereiche der FAO-Strategie zur Ermöglichung angemessener ländlicher Beschäftigungsmöglichkeiten seien.

Abschluss und ein weiterer Höhepunkt des IAMO Forum 2016 war die von IAMO-Wissenschaftler Professor Martin Petrick moderierte Podiumsdiskussion "Threats and Challenges of Rural Labor Markets".

Neben Koettl und Fang saßen Dr. Abel Polese von der Dublin City University, Irland, Dr. Willi Schulz-Greve von der Europäischen Kommission sowie Taras Vysotskyi vom Ukrainian Agribusiness Club (UCAB) auf dem Podium. Schulz-Greve führte aus, dass ein breites Spektrum an Bottom-up-Strategien zur Förderung und Entwicklung ländlicher Beschäftigungen ganz oben auf der Agenda der Europäischen Kommission ständen. Sinnvoll seien dafür beispielsweise Investitionen in die Gesundheitsversorgung und Bildungschancen in ländlichen Gebieten.

Polese betonte, dass die Beseitigung von Korruption eine der wichtigsten Maßnahmen sei, um reguläre Beschäftigungsmöglichkeiten in ländlichen Räumen zu entwickeln. Dafür sollten bestehende informelle Strukturen in formelle überführt werden.

Für die Ukraine skizzierte Vysotskyi die Notwendigkeit eines Bildungssystems, das den Bedürfnissen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Rechnung trage. Darüber hinaus sollte sich die staatliche Förderung ländlicher Räume auf die Schaffung geeigneter Lebensbedingungen in denselben konzentrieren.

Koettl argumentierte, dass der demographische Wandel und wirtschaftliche Herausforderungen die größten Auswirkungen auf die Entwicklung ländlicher Arbeit hätten. Für viele Chinesinnen und Chinesen würde die Land-Stadt-Migration neue Einkommensquellen erschließen, ergänzte Fang.

Alle Podiumsteilnehmer sahen die Beschäftigungsverhältnisse in ländlichen Räumen vor großen Herausforderungen. Es sollte Anliegen der Regierungen sein, hier ein breit gefächertes Spektrum an Dienstleistungen bereit zu stellen, um mehr formelle Beschäftigungsverhältnisse in ländlichen Räumen zu schaffen und um bestehende Arbeitsplätze zu sichern.

Das nächste IAMO Forum findet vom 21. bis 23 Juni 2017 unter dem Thema „Eurasian Food Economy between Globalization and Geopolitics“ statt.

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Britta Paasche
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Quelle: Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien / IDW Redaktion: Länder / Organisationen: Global Themen: Dienstleistungsforschung Wirtschaft, Märkte sonstiges / Querschnittsaktivitäten

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