Aber ist das wirklich so? Sind Studierende, die einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen, später beruflich erfolgreicher? Diese Frage hat der Hochschulforscher Nicolai Netz anhand von Daten aus den Absolventenpanels des HIS-Instituts für Hochschulforschung (HIS-HF) in Hannover untersucht.
In der Tat unterscheiden sich Hochschulabsolvent(inn)en, die im Rahmen ihres Studiums einen Auslandsaufenthalt absolviert haben, von ihren ehemaligen Kommiliton(inn)en, die nicht auslandsmobil waren, in mehrfacher Hinsicht. Unter anderem sind sie nach Abschluss des Studiums häufiger im Ausland berufstätig. So sind fünf Jahre nach dem Examen anteilig etwa dreimal so viele Absolvent(inn)en mit studienbezogener Auslandserfahrung im Ausland beschäftigt wie Absolvent(inn)en ohne Auslandserfahrung. Fast die Hälfte der im Ausland Tätigen arbeitet in einem Land, in dem ein studienbezogener Auslandaufenthalt absolviert wurde. Besonders hoch ist die Übereinstimmung des aktuellen Beschäftigungslandes mit dem Zielland des studienbezogenen Auslandsaufenthalts im Falle von Auslandspraktika: 85 % der im Ausland Beschäftigten arbeiten in dem Land, in dem sie während des Studiums ein Auslandspraktikum absolviert haben. Auslandspraktika erlauben es – so schließt Netz – offenbar in stärkerem Maße als Studienphasen oder Sprachkurse im Ausland, betriebliche Kontakte aufzubauen, die sich später nutzen lassen.
Absolventinnen und Absolventen, die während ihres Studiums im Ausland waren, schätzen ihre Fremdsprachenkenntnisse und ihre Kenntnisse fremder Kulturen deutlich höher ein als Absolvent(inn)en ohne Auslandsaufenthalt. Sie empfinden derartige Kompetenzen zudem als wichtiger für ihre berufliche Tätigkeit und wenden diese in ihrem Berufsalltag häufiger an. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Absolvent(inn)en für einen längeren Zeitraum im Ausland waren.
„Wer während des Studiums einen Auslandsaufenthalt absolviert hat, ist später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in internationale Arbeitszusammenhänge eingebunden als jene, die nicht im Ausland waren“, erläutert Netz, der für seine Untersuchung die Daten der zweiten HIS-HF-Befragung des Absolventenjahrgangs 2005 ausgewertet hat. „Die Entscheidung für oder gegen einen Auslandsaufenthalt im Studium stellt damit häufig einen Scheideweg dar, an dem die Grundlage für eine spätere Tätigkeit mit internationalem Bezug geschaffen wird.“
Studierende mit studienbezogenem Auslandsaufenthalt sind später also häufiger international tätig. Doch hat die Auslandserfahrung auch Auswirkungen auf ihren Berufserfolg? „Die Anzeichen dafür sind eher schwach. Auslandsaufenthalte wirken sich nur auf einige Indikatoren des Berufserfolgs und auch nur für bestimmte Absolventengruppen positiv aus“, sagt Netz. Keine Unterschiede zwischen auslandserfahrenen und nicht auslandserfahrenen Absolvent(inn)en lassen sich z. B. mit Blick auf das Arbeitslosigkeitsrisiko feststellen. Es ist bei Akademiker(inne)n insgesamt gering. Allerdings hat ein deutlich höherer Anteil der auslandserfahrenen Absolvent(inn)en fünf Jahre nach dem Examen eine Promotion begonnen und/oder abgeschlossen. Dies hat Konsequenzen für deren berufliche Stellung. Der höheren Promotionsneigung entsprechend arbeiten auslandserfahrene Absolvent(inn)en häufiger als wissenschaftliche Angestellte, ohne bereits Leitungsfunktionen einzunehmen, und in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Allerdings gibt es fünf Jahre nach dem Examen in einigen universitären Fachrichtungen – wie den Wirtschaftswissenschaften – bereits Anzeichen dafür, dass auslandserfahrene Absolvent(inn)en etwas häufiger in Führungspositionen aufsteigen als nicht auslandserfahrene Absolvent(inn)en.
Einen geringen Einfluss hat Auslandserfahrung zudem auf das Einkommensniveau. „Studienbezogene Auslandserfahrung ist vor allem dann mit einem höheren Einkommen assoziiert, wenn Absolvent(inn)en in einem international ausgerichteten Unternehmen tätig sind“, erklärt Netz. In solchen Unternehmen haben auslandserfahrene Absolvent(inn)en ein um etwa 7 % höheres Brutto-Jahreseinkommen als nicht auslandserfahrene Absolvent(inn)en. Auch für Absolvent(inn)en einzelner Fachrichtungen – beispielsweise für Geisteswissenschaftler(innen) – gehen studienbezogene Auslandsaufenthalte mit einem leicht höheren Einkommensniveau einher. „Die Aufgabe weiterführender Forschung sollte sein, die zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen zu identifizieren“, so Netz.
Die Studie „Studienbezogene Auslandsmobilität und Berufsverbleib von Hochschulabsolvent(inn)en“ ist als vertiefende Analyse in die jüngst veröffentlichte HIS-HF Absolventenuntersuchung eingebunden. Interessierten steht die Studie als PDF-Download unter http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201214.pdf kostenlos zur Verfügung. HIS-HF befragt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) jeden vierten Absolventenjahrgang. Die erste Befragung findet ca. ein Jahr nach dem Examen statt; es folgt eine zweite Befragung etwa fünf Jahre nach Studienabschluss. Ausgewählte Jahrgänge wurden ein drittes Mal etwa zehn Jahre nach dem Examen befragt. Die Ergebnisse sind bundesweit repräsentativ. (tm)
Netz, N. (2012): Studienbezogene Auslandsmobilität und Berufsverbleib von Hochschulabsolvent(inn)en. In: Grotheer, M./Isleib, S./Netz, N./Briedis, K. (Hg.): Hochqualifiziert und gefragt. Ergebnisse der zweiten HIS-HF Absolventenbefragung des Jahrgangs 2005. Hannover, HIS:Forum Hochschule 14|2012, S. 259-313.
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