„Jatropha galt als Lösung dieser Probleme, doch unsere Studie zeigt, wie komplex eine Nachhaltigkeitsbewertung ist“, erläutert Prof. Dr. Stefan Schaltegger, Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM) an der Leuphana Universität Lüneburg. In der weltweit größten Untersuchung zum Status quo des Jatropha-Anbaus zeichnen die Nachhaltigkeitswissenschaftler der Leuphana ein differenziertes Bild und betonen gleichzeitig die enormen Herausforderungen für den Sektor.
111 Manager in Afrika, Asien und Lateinamerika befragt
Bis heute gilt Jatropha einigen als „Wunderpflanze“. Der Jatropha-Hype führte zu massiven Investitionen in neue Pflanzungen, doch viele Projekte scheiterten nur wenige Jahre später. Die Studie der Leuphana Universität Lüneburg beleuchtet die aktuelle Situation des weltweiten Jatropha-Anbaus. In Kooperation mit der Inocas GmbH befragten die Wissenschaftler 111 Manager von Anbauprojekten Afrika, Asien und Latein Amerika.
Weltweite Produktion von Jatropha bleibt hinter den hohen Erwartungen zurück
Wichtigstes Ergebnis der Studie: Geringe Erträge sind das Hauptproblem, viele Projekte suchen daher vergebens nach Finanzierungsmöglichkeiten. Das größte Hindernis für ausreichend hohe Öl-Erträge sehen die Forscher beim Saatgut. Es steht sehr wenig züchterisch bearbeitetes Saatgut zur Verfügung. Daher haben über drei Viertel der befragten Projekte lokales, meist wildes Saatgut verwendet. Der wichtigste Erfolgsfaktor für Projekte, der Öl-Ertrag pro Fläche, wird so zu einem Risikofaktor.
200 Millionen Euro Investitionen durch geringe Erträge gefährdet
Ein Rückfluss aus den hohen Investitionssummen ist nur gewährleistet, wenn die Öl-Erträge bei den Anpflanzungen in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro haben die befragten Manager bis 2011 investiert. Gleichzeitig blieb das prognostizierte Wachstum der weltweiten Jatropha-Anbauflächen aus. Dafür ist der Investitionsbedarf zu hoch und die Erntemenge zu wenig vorhersehbar. Von Samen-Erträgen zwischen null und sechs Tonnen pro Hektar berichten die Manager, und beziehen dabei auch ältere Pflanzungen ein. Es scheint also nicht mehr sicher zu sein, dass sich die bereits getätigten Investitionen letztlich auszahlen.
Kein Biokerosin mit Jatropha
Die Luftfahrtbranche setzt auf Jatropha-Öl als einen möglichen Rohstoff für eine nachhaltige Biokerosin-Produktion. Prof. Dr. Stefan Schaltegger sieht das kritisch: „Aufgrund der schwierigen Situation, in der sich viele Jatropha-Projekte befinden, ist der großvolumige Einsatz von Jatropha-Öl als Rohstoff in naher Zukunft fraglich. Die lokalen Biodiesel-Raffinerien bleiben der wichtigste Markt für die Mehrzahl der Jatropha-Produzenten.“
Kleinbauern können profitieren – wenn der Ertrag stimmt
Positiv bewerten die Wissenschaftler hingegen die Struktur vieler Jatropha Projekte: Mehr als die Hälfte (58 %) arbeiten ausschließlich oder teilweise mit kleinbäuerlichen Vertragsanbauern zusammen. Das bedeutet signifikante Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft von tropischen und subtropischen Ländern, deren Bedeutung auch die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in ihrem jüngsten Bericht zur Lage der Welternährung hervorgehoben hat. „Eine Kombination aus kleinbäuerlichen Strukturen mit professioneller und nachhaltig betriebener Landwirtschaft kann bei Jatropha - aber auch bei anderen landwirtschaftlichen Produkten - das Rezept für einen sozial ausgewogenen wirtschaftlichen Erfolg sein“, so Schaltegger.
Leuphana entwickelt innovative Konzepte für nachhaltigen Pflanzenölanbau
Eine sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Pflanzenölproduktion ist kein Selbstläufer, sondern erfordert Innovationen auf allen Ebenen. Daher erforscht das interdisziplinäre Team der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen des Innovations-Inkubators neben Jatropha weitere Konzepte für eine nachhaltige Pflanzenölproduktion. Dabei beschäftigen sich die Lüneburger Wissenschaftler sowohl mit innovativem Zwischenfruchtanbau in Norddeutschland als auch mit Palmen auf Weideflächen in Brasilien. Mit ihren Konzepten wollen die Wissenschaftler einen Beitrag zur nachhaltigen Ausgestaltung der Energiewende leisten, hier in Deutschland und weltweit.
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