StartseiteAktuellesNachrichtenUniversität Hildesheim an Planung zu arabischen Masterstudiengang für Kulturpolitik und Kulturmanagement beteiligt

Universität Hildesheim an Planung zu arabischen Masterstudiengang für Kulturpolitik und Kulturmanagement beteiligt

Zur Zeit laufen Planungen für den ersten arabischen Masterstudiengang für Kulturpolitik und Kulturmanagement in Casablanca. Das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim ist als einzige europäische Einrichtung an der Entstehung des ersten arabischen Masterstudiengangs für Kulturpolitik und Kulturmanagement beteiligt. Zudem sprach Kulturpolitikprofessor Wolfgang Schneider auf einer Konferenz in Kairo über die Bedeutung der Zivilgesellschaft und der Künste in politischen Umbrüchen.

Unruhe und Umbrüche sind eine Herausforderung – und eine Gelegenheit für kulturpolitisch Aktive, die sich für den Aufbau eines stärker unabhängigen Kultursektors und für politische Reformen einsetzen. Dafür brauchen Künstlerinnen und Künstler einen langen Atem, etwa in Ägypten. „Im Moment wird nicht nur langer Atem gefordert, sondern die Luft angehalten. Die Kulturakteure erleben, dass sich ihre Lage stetig verschärft. Manche Kultureinrichtungen verlieren ihre Lizenz zum Arbeiten“, sagte Professor Wolfgang Schneider und beobachtet einen „roll-back“. Die Aufbruchstimmung – die sich seit dem ersten Tag der Protestwellen 2011 auch in Graffitis, Performances und Theater zeigte –, die schönen Ideen nach dem Sturz von Mubarak, wie man sich kulturpolitisch neu aufstellen kann, seien durchkreuzt worden durch die Mursi-Administration. Diese habe Kultur unter religiösen Gesichtspunkten definiert, Frauen und Männer sollten getrennt an Kulturveranstaltungen teilnehmen. Das sei nach einem erneuten Regimewechsel jedoch das kleinere Übel, berichtet Schneider von Gesprächen mit Kulturschaffenden in Kairo. „Denn die Zensur droht nun, die künstlerische Freiheit einzuschränken und alle zu gefährden, die sich kritisch mit den Verhältnissen auseinandersetzen, etwa Künstler und Wissenschaftler.“

Wolfgang Schneider, Professor für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim, sprach in dieser Woche in Kairo auf einer großen kulturpolitischen Diskussionsveranstaltung über die Rolle der Zivilgesellschaft in der Kulturpolitik. Es sei nicht möglich, kulturpolitische Entwicklungen ohne den politischen Kontext zu betrachten, so Schneider. „Die Frage ist, wie man von dem top-down-Prinzip wegkommt. In vielen arabischen Staaten wird der Kultursektor dominiert von Kulturministerien und dem Staat. Ministerien definieren, was Kultur ist und leiten daraus kulturpolitische Maßnahmen ab. Sie entscheiden, welche Kultur gefördert wird. Wie schafft man es, Kulturpolitik demokratisch zu organisieren, so dass Künstler und Kulturvermittler nicht nur beteiligt sind, sondern ihnen auch ermöglicht wird, sich selbst zu organisieren“, fragte Wolfgang Schneider in Kairo.

Zivilgesellschaftliche Organisationen stünden unter besonderem Fokus, Schneider erinnert an die Schließung des ägyptischen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und die Verurteilung der Mitarbeiter aus Nicht-Regierungsorganisationen. „Ausländische Kulturinstitutionen sind vorsichtiger geworden, was ihr öffentliches Auftreten, die Einladungspolitik und Öffentlichkeitsarbeit betrifft.“

Dennoch laufen Projekte weiter. Wolfgang Schneider erarbeitet mit seinem Team und Partnern von der „Arab Cultural Policy Group“ vor Ort derzeit den ersten arabischen Masterstudiengang für Kulturpolitik und Kulturmanagement. Das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim ist der einzige ausländische Partner. Der Studiengang wird an der Universität in Casablanca eingerichtet, derzeit verhandeln die Beteiligten ein „Memorandum of Understanding“. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es bisher kaum Ausbildungsprogramme im Bereich Kulturmanagement. Wie man das Arbeitsumfeld für Künstler gestalten kann, wie die Infrastruktur ausgebaut, Künste vermittelt und Menschen durch die Künste erreicht werden können, das sind einige der Studieninhalte. Studierende kommen außerdem in Hildesheim in einer Summer School zusammen, pro Semester lehrt ein Forscher aus Hildesheim in Casablanca. „Wir werden nicht nur lehren, sondern auch voneinander lernen“, so der Kulturpolitikprofessor über das gemeinsame Vorhaben. Im vergangenen Jahr während des kulturpolitischen Weltkongresses und erneut Ende März 2015 sind Partner aus Marokko an der Hildesheimer Universität, um Studieninhalte abzustimmen. Solche Projekte sind nur möglich, wenn die Zusammenarbeit auf Vertrauen aufbaut, sagt Schneider. Um dieses herzustellen, finden Gegenbesuche statt. „Ohne das rege Begegnen geht es nicht.“

Hintergrundinformation

In Hildesheim ist ein Zentrum für kulturpolitische Forschung entstanden: Hier lehrt und forscht der erste Universitätsprofessor für Kulturpolitik. Die UNESCO hat die Arbeit von Professor Wolfgang Schneider mit einem UNESCO-Lehrstuhl „Cultural Policy for the Arts in Development“ (Kulturpolitik für die Künste innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse) ausgezeichnet. Die Wissenschaftler untersuchen mit Partnern aus dem Mittelmeerraum, afrikanischen und arabischen Ländern den Einfluss der Künste auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse.

Die „Arab Cultural Policy Group“ hat sich 2009 formiert. Künstler aus mehreren Ländern Nordafrikas machen sich Gedanken, wie Gesellschaft aussehen kann und unter welchen Rahmenbedingungen Künstler arbeiten. Sie kommen u.a. aus Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Palästina, Marokko, Syrien und Tunesien. Die Kulturschaffenden arbeiten an Konzepten, wie Infrastruktur für die Künste aufgebaut, wie Künstler unterstützt und wie die Teilhabe an Künsten gemanagt werden kann.

Die Hildesheimer Forscher arbeiten mit Kulturschaffenden, Künstlernetzwerken (etwa dem „ARTerial Network“) und Hochschulen in Dar es Salaam (Tansania), Maputo (Mosambik) und Pretoria (Südafrika) sowie Akteuren im arabischen Raum und im Mittelmeerraum um Marseille zusammen.

Quelle: Stiftung Universität Hildesheim / IDW Nachrichten Redaktion: von Tim Mörsch, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: Ägypten Marokko Themen: Bildung und Hochschulen Ethik, Recht, Gesellschaft

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