StartseiteAktuellesNachrichtenWissenschaftsrat empfiehlt Aufbau von Islamischen Studien an staatlichen Universitäten

Wissenschaftsrat empfiehlt Aufbau von Islamischen Studien an staatlichen Universitäten

Religiöse Pluralisierung verlangt Weiterentwicklung des theologischen und religionswissenschaftlichen Feldes.

Die wachsende Pluralität religiöserZugehörigkeiten in Deutschland und der steigende Bedarf an wissenschaftlicherExpertise in Fragen der Religion stellen neue Anforderungen an Organisation undLeistungsfähigkeit der damit befassten Wissenschaften. Der Wissenschaftsrat empfiehltdeshalb, das theologische und religionswissenschaftliche Feld im deutschenWissenschaftssystem weiterzuentwickeln. Die dazu notwendigen strukturellenAnpassungen insbesondere der christlichen Theologien und der Ausbau der übrigenFächer sollten dabei innerhalb des staatlichen Hochschulsystems erfolgen. Dasbetrifft vor allem auch den Aufbau Islamischer Studien an Universitäten; diesist der beste Weg, die wissenschaftliche Qualität von Forschung und Lehre zusichern, das Gespräch mit den anderen Formen wissenschaftlicher Weltauslegung zu intensivieren und auch eineverlässliche theologische Basis für den interreligiösen  Dialog zu schaffen.

Zu den Empfehlungen im Einzelnen:

Die christlichenTheologien sollten eine stärkere Profilbildung der Fakultäten anstreben undsich intensiver als bislang an fakultätsübergreifenden interdisziplinärenForschungsprojekten beteiligen. Religionslehrer und –lehrerinnen bedürfenangesichts der neuen Pluralität der religiösen Bekenntnisse wachsenderfachlicher Kompetenzen. Um diesen steigenden Anforderungen gerecht zu werden,sollten theologische Institute, die für Gymnasien beziehungsweise SekundarstufenI plus II ausbilden, über eine angemessene fachliche Ausstattung von mindestensfünf Professuren verfügen.

Da es sich bei der Habilitation um eine rein akademischeAngelegenheit handelt, richtet der Wissenschaftsrat die dringende Bitteinsbesondere an die Katholische Kirche, sich aus dem Habilitationsverfahrenzurückzuziehen. Bei Berufungen sollten die Kirchen für ein rasches und für alleBeteiligten verlässliches und transparentes Verfahren der kirchlichenBeteiligung Sorge tragen.

Für die Judaistik/JüdischenStudien sowie für die Religionswissenschaft empfiehlt der Wissenschaftsratdie institutionelle Ausgliederung aus theologischen Fakultäten. Ihre  fachliche Weiterentwicklung sollte durch denAuf- und Ausbau von Instituten sichergestellt werden, die auch personell vierbis fünf Schwerpunkte des jeweiligen Fachs abdecken. Dies sind institutionelleVoraussetzungen für die eigenständige fachliche Weiterentwicklung und dieAusbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Islamische Studiensind  bisher an deutschen Hochschulennoch nicht etabliert. Dieser Zustand wird der Bedeutung der größtennichtchristlichen Glaubensgemeinschaft in Deutschland nicht gerecht. Daherempfiehlt der Wissenschaftsrat, über die Einrichtung von Einzelprofessuren mitislamisch-religionspädagogischer Ausrichtung hinaus künftig an zwei bis dreiStandorten im staatlichen Hochschulsystem größere, autonomeOrganisationseinheiten für Islamische Studien zu etablieren. Neben Lehrkräftenfür den islamischen Religionsunterricht sollen dort auch IslamischeReligionsgelehrte, Fachpersonal für Sozial- und Gemeindearbeit sowie insbesondereder wissenschaftliche Nachwuchs für Islamische Studien ausgebildet werden.

Im Hinblick auf die institutionellen Erfordernisse, die sichaus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungs- undMitwirkungsrecht der Religionsgemeinschaften ergeben, schlägt derWissenschaftsrat vor, an den entsprechenden Hochschulen theologisch kompetenteBeiräte für Islamische Studien einzurichten. Sie sollen an der Einrichtung, Änderungund Aufhebung von theologischen Studiengängen sowie bei der Einstellung deswissenschaftlichen Personals beteiligt werden. Die Mitwirkung bei Berufungenerstreckt sich nicht auf die wissenschaftliche und pädagogische Qualifikationder Kandidaten und Kandidatinnen, sondern allein auf die Prüfung, ob ausreligiösen Gründen Einwände gegen die von der Universität ausgewählten Personengeltend gemacht werden können. Im Rat sollten muslimische Verbände und Religionsgelehrtesowie muslimische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vertreten sein.

Der Ausbau religionsbezogener Wissenschaften und der Aufbauvon Islamischen Studien erfordern zusätzliche finanzielle Ressourcen. Diesalles wie auch der koordinierte Umbau der christlichen Theologien kann nur danngelingen, wenn über die Grenzen der Bundesländer sowie der Bistümer undLandeskirchen hinweg ein Prozess intensiver gegenseitiger Information und Koordinationstattfindet. Der Wissenschaftsrat hält es für wünschenswert, dass dieserProzess in seiner Anfangsphase durch gezielte Fördermaßnahmen des Bundesunterstützt wird.

Hinweis: Die„Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenenWissenschaften an deutschen Hochschulen“ (Drs. 9678-10) werden im Netz alsVolltext (http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdfwww.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdf) veröffentlicht,sie können aber auch bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates per E-Mail(post(at)wissenschaftsrat.de)angefordert werden.  

Quelle: http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdf Redaktion: Länder / Organisationen: Deutschland Themen: Geistes- und Sozialwiss.

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