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Brasiliens größter Förderagentur geht das Geld für Stipendien aus

Berichterstattung weltweit

Ab September fehlen dem Nationalen Rat für Wissenschaftliche und Technologische Entwicklung Finanzmittel für mehr als 80.000 Stipendien. Forscherinnen und Forscher fürchten weitreichende Konsequenzen.

Der Nationale Rat für Wissenschaftliche und Technologische Entwicklung (CNPq), die größte Förderagentur Brasiliens, muss ab September mehr als 80.000 Stipendien für Postdoktoranden, Graduierte und Studierende aussetzen, sofern keine neuen Finanzmittel von der Regierung freigegeben werden. Das berichten die Wissenschaftsmagazine Nature und Science.

Bereits zum Jahreswechsel hatte es eine Kürzung des Stipendienbudgets des CNPq um 21 Prozent von umgerechnet 249 Mio. US-Dollar auf 196 Mio. US-Dollar gegeben. Im Juni hatte der CNPq daraufhin 89 Mio. US-Dollar aus dem brasilianischen Haushalt beantragt und vom Nationalkongress bewilligt bekommen, die Ausschüttung wurde bislang aber durch das Wirtschaftsministerium blockiert. Wie ein Sprecher dem Magazin Science mitteilte, habe das Ministerium noch nicht über den Antrag entschieden und keine Frist für die Entscheidung gesetzt.

CNPq-Stipendiatinnen und -Stipendiaten dürfen laut Science kein weiteres Einkommen aus anderen Tätigkeiten beziehen, sodass viele Zuwendungsempfänger ab dem kommenden Monat ohne Unterhaltsmittel auskommen müssen. Dadurch habe sich der Wettbewerb um alternative Fördermittel verschärft – viele Forschende befürchteten, ihre wissenschaftliche Laufbahn aufgeben zu müssen.

Anlässlich der sich abzeichneten Finanzmittelknappheit des CNPq hat die Brasilianische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (SBPC) gemeinsam mit 97 weiteren Forschungseinrichtungen des Landes eine Online-Petition gestartet, in der die Freigabe der Finanzmittel für den CNPq gefordert wird. Bis zum 19. August wurde die Petition bereits über 270.000 unterzeichnet. Wie die CNPq-Sprecherin Mariana Galiza de Oliveira dem Magazin Nature mitteilte, befänden sich das Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation (MCTIC) und der CNPq in Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium, um weitere Gelder bis zum Ende des Jahres zu erhalten. Ob und wann die Mittel bewilligt werden, sei aber noch unklar.

Die Wissenschaftsgemeinschaft in Brasilien arbeitet bereits seit Ende März unter erschwerten Bedingungen. Damals kündigte die Regierung Jair Bolsonaros an, das Budget des MCTIC – zunächst vorläufig – um 42 Prozent zu kürzen. Seitdem haben zahlreiche Forscherinnen und Forscher das Land verlassen; die verbliebenen kämpfen darum, ihre Forschungseinrichtungen funktionsfähig zu halten.

Marcos Buckeridge, Direktor des Nationalen Instituts für Wissenschaft und Technologie im Bereich Bioethanol, sieht die Wissenschaft vor großen Herausforderungen: "Science is walking backwards in Brazil." Er befürchtet, dass seinem Institut die wissenschaftlichen Mitarbeiter ausgehen, wenn der CNPq die Stipendiatenförderung einstellen muss. Ähnliche Konsequenzen erwartet auch Lilianne Nakazono, Ph.D.-Studentin der Universität São Paulo: "It affects everyone doing science in Brazil, regardless of our salary coming from CNPq or not. If we can’t have students and postdocs working with us, it is hard to get the project moving on." Daniel Martins-de-Souza, Biochemiker an der Universität Campinas, ergänzt: "For many students, a scholarship is much more than research support, it is a salary that they use to live, to eat, and to pay their bills." Ohne die finanzielle Unterstützung durch Stipendien würden viele Forscherinnen und Forscher ihre Arbeit verlieren.

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Quelle: Nature / Sciencemag Redaktion: von Alexander Bullinger, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: Brasilien Themen: Fachkräfte Förderung Strategie und Rahmenbedingungen

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