Politische Zielsetzungen und Programme: Vietnam
Bildungspolitische Zielsetzungen und Programme
Unter der vietnamesischen „Nationalen Bildungsstrategie" vom Dezember 2024 mit mittel- und langfristiger Ausrichtung („National Education Development Strategy by 2030, Orientation toward 2045“, Volltext) ist ein Ausbau der vorschulischen Bildung und der Einsatz von digitalen Technologien in allen Bildungsphasen geplant.
Die Hochschulen in Vietnam gewinnen an Bedeutung und sollen neue Aufgaben übernehmen. Zukünftig sollen sie hochqualifizierte Fachkräfte und Talente ausbilden, insbesondere für den Technologiesektor, und zudem verstärkt Forschungsaktivitäten durchführen. Hintergrund ist, dass die vietnamesische Regierung Wissenschaft, Technologie und Innovation als Schlüssel zur Verwirklichung einer schnellen und nachhaltigen nationalen Entwicklung einstuft (siehe nächster Abschnitt, für eine Zusammenfassung zu den Hochschulreformen siehe Vietnam.VN: Durchbruch in Vietnams Strategie zur Entwicklung des Hochschulwesens). Mit der neuen Rolle der vietnamesischen Hochschulen ist die Modernisierung des Hochschulwesens und ein Ausbau der Internationalisierung verbunden (siehe unter Internationale Programmatik).
2025 wurden vier vietnamesische Universitäten benannt, die in den kommenden Jahren eine Förderung für ihre strategische Entwicklung erhalten und als Modelle für die gesamte vietnamesische Hochschullandschaft dienen sollen. Es handelt sich dabei um die Vietnam National University in Hanoi, die Vietnam National University in Ho-Chi-Minh-Stadt, die Universität Da Nang und die Universität für Wissenschaft und Technologie in Hanoi. Mit der Förderung sind konkrete Ziele in den vier Bereichen Hochschulrankings, Ausgründungen, Drittmittel und Internationalisierung verbunden.
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Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme
Vietnam hat seit 2022 eine Reihe von Strategiedokumenten verabschiedet, die der Förderung von Wissenschaft, Technologie und Innovation höchste staatliche Priorität einräumen, ehrgeizige Ziele formulieren und die Basis für politische Umsetzungen bilden. Zu diesen Strategiedokumenten zählen (in Klammern englischsprachige Volltexte verlinkt):
- die „Strategy for Science, Technology and Innovation Development until 2030“ vom Mai 2022 (Volltext);
- die „National Education Development Strategy by 2030, Orientation toward 2045“ vom Dezember 2024 (Volltext);
- sowie die Resolution No. 57‑NQ/TW vom 22. Dezember 2024, „Breakthrough in science, technology, innovation, and national digital transformation" (Volltext);
- Als Grundlage für weitere Reformen wurde ein Gesetz zu Wissenschaft, Technologie und Innovation verabschiedet, das im Oktober 2025 in Kraft trat („Law on Science, Technology and Innovation“, Volltext).
Die neuen Ansätze wurden auch auf dem „Vietnam Science and Technology Festival“ am16. Mai 2025 zusammenfassend präsentiert (Vietnam.VN: „Aufbau eines prosperierenden Vietnams auf der Grundlage von Wissenschaft, Technologie und Innovation“).
Grundlegender Ausgangspunkt ist laut Resolution No. 57‑NQ/TW vom 22. Dezember 2024: Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie digitale Transformation werden als entscheidende kritische Faktoren und Triebkräfte für das Erreichen von sozio-ökonomischen Entwicklungszielen eingestuft, einschließlich der Verhinderung von Stagnationsrisiken und dem „Erreichen eines bahnbrechenden Wachstums hin zu einer neuen Ära des Wohlstands". Bis 2045 soll Vietnam ein einkommensstarkes Industrieland werden.
Bereits für 2030 plant Vietnam, 2 Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung (FuE) auszugeben. Mindestens 3 Prozent des jährlichen Staatshaushalts sollen für Wissenschaft, Technologie, Innovation und digitale Transformation bereitgestellt werden, mit einer schrittweisen Erhöhung zur Deckung der Entwicklungsbedarfe. Das wissenschaftliche und technologische System des Landes soll für mehr Effektivität umstrukturiert und Forschung, Anwendung und Ausbildung stärker miteinander verknüpft werden. Geplant ist, zwölf Forschende pro 10.000 Einwohner zu beschäftigen und 40 bis 50 wissenschaftlich-technologische Organisationen auf regionaler und globaler Ebene führend zu positionieren. Internationale wissenschaftliche Publikationen sollen jährlich um durchschnittlich 10 Prozent zunehmen. Zudem wird erwartet, dass Patentierungen und erteilte Patente jährlich um 16 bis 18 Prozent wachsen, während die Kommerzialisierungsraten 8 bis 10 Prozent erreichen sollen.
Diese neue strategische Ausrichtung Vietnam wird voraussichtlich weitgehende Reformen im Forschungs- und Innovationssystem anstoßen. Geplant ist der Aufbau eines unternehmenszentrierten Innovationssystem und eine deutliche Stärkung von Forschung an den Hochschulen. Unter dem neuen Gesetz soll sich die staatliche vietnamesische Förderung an sozio-ökonomischen Zielsetzungen orientieren und daher auf High-Tech und strategische Technologien ausgerichtet werden. Im Sommer 2025 wurde eine Liste strategischer Technologiefelder veröffentlicht (siehe unter Fachliche Stärken).
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Ergebnisse von Evaluierungen
Die OECD hat die Forschungs- und Innovationslandschaft Vietnams bereits vor zehn Jahren evaluiert („Science, Technology and Innovation in Vietnam“, 2014). Die Studie hebt hervor, dass Kapazitäten für Forschung und Entwicklung (FuE) sowohl in der Industrie als auch im öffentlichen Sektor bislang unterentwickelt sind und Förderprogramme unzureichend mögliche Synergien zwischen den einzelnen Akteuren nutzen. Unternehmen und deren Forschungskapazitäten sollten im Mittelpunkt der vietnamesischen Innovationspolitik stehen.
Das Weltbank-Programm FIRST (Fostering Innovation through Research, Science and Technology, 2013-19) zielt auf eine Förderung von marktorientierter, angewandter Forschung in Vietnam ab. Zudem erstellte und veröffentlichte die Weltbank auf Anfrage des vietnamesischen Ministeriums für Wissenschaft und Technologie (MOST) den Bericht „Vietnam: Science, Technology and Innovation Report 2020“ mit dem Ziel, einen Input in die nächste Zehnjahresstrategie des Landes für Wissenschaft, Technologie und Innovation zu liefern. Als Grundlage diente unter anderem auch eine Evaluation der vorherigen Zehnjahresstrategie („Review of Vietnam’s STI Strategy 2011-2020, and STI policies and Resolutions“).
Der 2021 publzierte Weltbankbericht empfahl der vietnamesischen Regierung die folgenden Reformen einzuführen, um Schwächen und Herausforderungen im Nationalem Innovationssystem zu addressieren (siehe Weltbankbericht zu Vietnam, S. 41):
- Unterstützung der Unternehmensfähigkeiten: Die Management- und Organisationsfähigkeiten der einheimischen Unternehmen, insbesondere der KMU, sind häufig nicht ausreichend ausgeprägt, um die Einführung und Verbesserung von Technologien aktiv anzugehen. KMU fehlt es zudem am Zugang zu Informationsnetzwerken, Hochschulen und Fachleuten. Spezialisierte Beratungsdienste für den privaten Sektor sind tendenziell unterentwickelt.
- Unternehmensumfeld verbessern: Die Reformen des regulatorischen und politischen Umfelds müssen beschleunigt werden, um den Markteinritt, den Betrieb und den Marktausstieg von Unternehmen zu verbessern. Die Stärkung der Wettbewerbspolitik und die Förderung der Wettbewerbsneutralität durch die Reform staatlicher Unternehmen können eine Schlüsselrolle bei der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen staatlichen Unternehmen und privaten inländischen Firmen spielen.
- Stärkere Durchsetzung des Schutzes geistigen Eigentums: Um multinationale Unternehmen zu ermutigen, ihre Technologien mit lokalen Unternehmen zu teilen, muss ein umfassendes System zum Schutz des geistigen Eigentums in Vietnam funktionieren.
- Verbesserung der Finanzierung von Innovationen: Vietnam hat Risikokapital- und Private-Equity-Finanzierungen (VCPE) eingeworben, doch fehlt es den Investoren häufig an der Fähigkeit, Geschäftspläne zu erstellen, um Finanzmittel zu beschaffen. Insolvenzrecht, Steuerabschreibungen für den Technologietransfer und neue Finanzierungsinstrumente sollten reformiert werden.
- Digitale Infrastruktur und Konnektivität: Digitale Infrastruktur und Regulierung sind nach wie vor von zentraler Bedeutung, um das Versprechen von Industrie 4.0 zu verwirklichen. Im Jahr 2019 hatten zwar 2 von 3 Menschen in Vietnam einen Internetzugang, aber die Digitalisierung auf Unternehmensebene blieb gering. Die Vertiefung des Daten-Ökosystems, einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Unterstützung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs, der Datensicherheit und des Datenschutzes, wird die Nutzung von Technologie und den Wissensfluss fördern.
- Aufbau relevanter Fähigkeiten: Vietnam wird für einen großen Teil der Bevölkerung den Schwerpunkt auf „weiche“ und kognitive Fähigkeiten wie Kreativität, Teamarbeit und Problemlösung sowie auf digitale Kompetenzen legen müssen. Darüber hinaus ist auch der Aufbau fortgeschrittener MINT-Kompetenzen (d.h. Mathematik, Ingenieur- und Naturwissenschaften, Technik) von entscheidender Bedeutung. Das Berufsbildungssystem in Vietnam muss verbessert werden, damit die Qualität der Fachkräfte durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Berufsbildungseinrichtungen und Unternehmen gesteigert werden kann.
- Verbindungen zwischen Universität und Industrie: Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie ist in Vietnam sehr gering ausgeprägt. An den staatlichen Forschungseinrichtungen (GRI) findet nicht genügend industrierelevante Forschung statt. Der Einsatz von Hochschulforschenden in der Industrie im Rahmen von Kooperationsprojekten und die Beteiligung von Privatpersonen an der Hochschulleitung könnten dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Darüber hinaus wird ein solider Überwachungsrahmen zur Bewertung der Effektivität der Forschung bei der Mittelvergabe helfen.
- Effektive Zuteilung von Mitteln für Forschung und Entwicklung: Zwar wurden in jüngster Zeit Reformen durchgeführt, um die Forschung auf der Grundlage von Wettbewerb, Peer-Reviews und Leistung zu fördern, doch müssen die Verfahren noch gestärkt werden, um einen offenen Wettbewerb zu fördern und thematische Prioritäten in speziellen Projekten und Programmen zu finanzieren. Die Rechenschaftspflicht könnte verbessert werden, indem es eine gesonderte Finanzierung für angewandte Grundlagenforschung gibt und indem eine wettbewerbsbasierte Finanzierung eingeführt wird, bei der GRIs um die Finanzierung konkurrieren.