1 Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage
1.1 Zuwendungszweck
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beabsichtigt, Vorhaben zur Forschung und Entwicklung (FuE) auf dem Gebiet "Erforschung kondensierter Materie an Großgeräten" zu fördern. Die Großgeräte der physikalischen Grundlagenforschung sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Forschungsinfrastruktur. Im Rahmen der "Hightech-Strategie 2020 für Deutschland" leisten sie einen wesentlichen Beitrag, da Erkenntnisse, die nur durch ihren Einsatz gewonnen werden können, eine Basis für die Entwicklung von Schlüsseltechnologien sind.
In die vorliegenden Förderrichtlinien sind Ergebnisse eines BMBF-Strategiegesprächs zur Fortentwicklung des Förderbereichs am 20. Juni 2012 und Empfehlungen der Komitees für Forschung mit Synchrotronstrahlung (KFS), mit Neutronen (KFN), mit nuklearen Sonden und Ionenstrahlen (KFSI) und für Beschleunigerphysik (KfB) eingeflossen.
Im Fokus stehen Vorhaben, die im Verbund mit den Großgeräten der physikalischen Grundlagenforschung
- innovative Instrumentierung entwickeln und aufbauen,
- neue Forschungsmethoden erarbeiten,
- Schlüsselkomponenten entwickeln,
- Konzepte und Basistechnologien erarbeiten
und außerdem relevante Beiträge zu aktuellen wissenschaftlichen Fragestellungen liefern. Arbeiten zur Entwicklung und Nutzung von Freie-Elektronen-Lasern sind ein strategischer Schwerpunkt.
Ein wichtiges Förderziel ist, das Anwendungsspektrum des Großgeräts über den Bereich der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung hinaus zu erweitern. Die Überführung von Ergebnissen aus der Forschung in die praktische Nutzung erlangt zunehmendes Gewicht. Forschungsvorhaben zur Anwendung von wissenschaftlich-technischen Grundlagenergebnissen in der Praxis sind daher sehr willkommen und ausdrücklich in die Förderung eingeschlossen.
Mit der Maßnahme soll ein wirksamer Beitrag zum Erhalt und weiteren Ausbau der international sehr guten Position der Wissenschaft in Deutschland im Bereich der Erforschung kondensierter Materie an Großgeräten geleistet und der Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland nachhaltig gestärkt werden. Es soll insbesondere die überregionale Zusammenarbeit von Hochschulgruppen in größeren thematischen Verbünden oder Forschungsnetzwerken in Verbindung mit den Großgeräten gestärkt werden. Die Gewinnung wissenschaftlichen Nachwuchses für die Entwicklung von und die Forschung an Großgeräten ist ein weiteres wichtiges Ziel.
Die Maßnahme ist auf Vorhaben gerichtet, an deren Durchführung - komplementär zu den Förderverfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft - ein besonderes Bundesinteresse besteht.
1.2 Rechtsgrundlage
Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien, der BMBF-Standardrichtlinien für Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis und der Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) durch Zuwendungen gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. Der Zuwendungsgeber entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
2 Gegenstand der Förderung
Im Mittelpunkt der Förderung steht der Ausbau der experimentellen Infrastruktur und die Erarbeitung neuer Methoden zur Erforschung kondensierter Materie an Großgeräten mit
- Photonen,
- Neutronen sowie
- geladenen Teilchen (nuklearen Sonden, Ionenstrahlen und Positronen).
Priorität haben Vorhaben, die dem Gebiet "Erforschung kondensierter Materie" durch neue oder erweiterte Nutzungsmöglichkeiten der Großgeräte entscheidende Impulse verleihen.
Gegenstand der Förderung sind außerdem:
- die Entwicklung zentraler Komponenten, wie z. B. Detektorsysteme, die den Ausgangspunkt für neue Forschungsinstrumente und innovative Methoden bilden,
- beschleunigerphysikalische Arbeiten - Methoden und Komponenten - zur Steigerung der Leistungsfähigkeit vorhandener und zukünftiger Großgeräte einschließlich der entsprechenden Konzepte und Basistechnologien.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Förderung ist das Vorliegen einer wissenschaftlichen Aufgabenstellung von hoher Relevanz und die optimale Ausschöpfung der spezifischen Eigenschaften des Großgeräts. Die Leistungsfähigkeit der entwickelten Infrastruktur bzw. Methodik soll beispielhaft anhand einer aktuellen wissenschaftlichen Fragestellung demonstriert werden. Vorrang haben dabei folgende Anwendungsbereiche:
- Materialien und Werkstoffe
- Nanotechnologie und Mikroelektronik
Erforschung von physikalischen Phänomenen und Wirkprinzipien in Materialien im Grenzbereich zwischen Volumen- und Oberflächeneigenschaften mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung; in situ-Untersuchungen der Herstellungsprozesse sowie kinetischer und dynamischer Vorgänge des Wachstums.
- Neue Materialien
Untersuchung neuer Materialien, auch in Relation zur technischen Funktionalität: funktionelle Materialien, insbesondere magnetische und spintronische Materialien; weiche Materie einschließlich Polymeren und kolloidalen Systemen; Materialien zu Erzeugung, Umwandlung, Transport und Speicherung von Energie; gezielte Materialmodifizierung und -strukturierung; Materialien unter extremen Bedingungen.
- Lebenswissenschaften
Experimente zur Struktur und Dynamik von Biomolekülen - vom Molekül bis zur ganzen Zelle - für die Erfordernisse der Gesundheitsforschung und der Biotechnologie, einschließlich Untersuchungen von biomolekularen Modellsystemen unter lebensnahen Umgebungsbedingungen; Wechselwirkungen und dynamische Prozesse in hierarchischen und komplexen Systemen.
Vorrang haben überdies innovative Experimente, die das Potenzial der neuen Großgeräte erkunden: Ultraschnelle Prozesse und Wechselwirkungen mit intensiven Laserfeldern; Untersuchung chemischer Reaktionen in Echtzeit sowie Verbesserung der dafür bestimmenden Struktur- und Funktionsprinzipien; ultraschnelle Dynamik der Licht-Materie-Wechselwirkung in Molekülen, Clustern und Festkörpern unter dem Einfluss intensiver Bestrahlung.
Für alle genannten Bereiche zielt die Förderung auf Vorhaben mit Bezug zu folgenden Großgeräten, wobei bereits existierende oder geplante Anlagen der jüngsten Generation besonders im Fokus der Förderung stehen:
- Photonenquellen (Synchrotronstrahlungsquellen, Freie-Elektronen-Laser)
- PETRA III, FLASH Hamburg, DESY
- BESSY II Berlin, HZB
- ANKA Karlsruhe, KIT
- FELBE Dresden-Rossendorf, HZDR
- XFEL Hamburg, European XFEL
- ESRF Grenoble, ESRF
- Neutronenquellen (Reaktoren, Spallationsquellen)
- FRM II Garching, TUM1
- BER II Berlin, HZB
- HFR Grenoble, ILL
- ESS Lund, ESS (in Planung)
- Quellen für geladene Teilchen
- UNILAC/SIS18 Darmstadt, GSI
- NEPOMUC (FRM II) Garching, TUM1
- IBC Dresden-Rossendorf, HZDR
- FAIR Darmstadt, FAIR
- ISOLDE Genf, CERN
In besonders begründeten Fällen können im Rahmen internationaler Kooperationen auch Vorhaben an anderen Großgeräten gefördert werden, sofern diese im engen inhaltlichen Bezug zu einem Fördervorhaben an den oben genannten Großgeräten stehen und für dessen Fortschritt bedeutsam sind (z. B. IBR-2, Dubna2).
Eine Stellungnahme der Quellenbetreiber zur Verfügbarkeit der Quelle ist dem Antrag beizufügen.
Im Rahmen der Maßnahme können theoretische Arbeiten gefördert werden, sofern diese in unmittelbarer Verbindung zu experimentell ausgerichteten Fördervorhaben stehen und für deren Erfolg ausschlaggebend sind. Sie müssen ausnahmslos als Teil eines Verbundprojektes zusammen mit Instrument- oder Methodenentwicklungen organisiert sein.
Antragsteller, die ein größeres Forschungsnetzwerk bilden, gemeinsam eine außerordentlich komplexe Aufgabenstellung über einen längeren Zeitraum bearbeiten und in der Form von Verbundprojekten organisiert sind, können die Einrichtung eines "BMBF-Forschungsschwerpunkts (BMBF-FSP)" beantragen. Auf diesem Wege sollen die Vernetzung und Koordination in der Wissenschaft erhöht und die überregionale Zusammenarbeit der jeweils besten Forschergruppen gestärkt werden. Das BMBF möchte erreichen, dass die BMBF-FSP sich zu thematischen Exzellenznetzwerken hoher internationaler Sichtbarkeit entwickeln. Der dafür erforderliche zusätzliche Koordinierungsbedarf kann vom BMBF zusätzlich unterstützt werden.
Wissenschaftliche Themen, die von der Entwicklung neuer Instrumentierung bzw. Methoden losgelöst sind, sind nicht Gegenstand dieser Fördermaßnahme. Dazu zählt beispielsweise der Routinebetrieb von Experimentiereinrichtungen oder von Standardausrüstungen im Umfeld der Quelle.
3 Zuwendungsempfänger
Antragsberechtigt sind deutsche Hochschulen.
Forschungseinrichtungen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Projektförderung für ihren zusätzlichen Aufwand bewilligt werden. Eine Voraussetzung wäre erfüllt, wenn die Beteiligung einer Forschungseinrichtung für den Erfolg eines Verbundprojekts unverzichtbar und eine angemessene Eigenbeteiligung sichergestellt ist.
4 Zuwendungsvoraussetzungen
Antragsteller sollen sich im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm vertraut machen. Sie sollen prüfen, ob das beabsichtigte Vorhaben spezifische europäische Komponenten aufweist und damit eine ausschließliche EU-Förderung möglich ist. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens ergänzend ein Förderantrag bei der EU gestellt werden kann. Das Ergebnis der Prüfungen soll im nationalen Förderantrag kurz dargestellt werden.
Die Partner eines "Verbundprojekts" haben ihre Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung zu regeln. Vor der Förderentscheidung muss eine grundsätzliche Übereinkunft über bestimmte vom BMBF vorgegebene Kriterien nachgewiesen werden. Einzelheiten können einem BMBF-Merkblatt - Vordruck Nr. 0110 - entnommen werden (siehe Nummer 7).
5 Art und Umfang, Höhe der Zuwendung
Die Zuwendungen können im Wege der Projektförderung als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden.
Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100 % gefördert werden können.
6 Sonstige Zuwendungsbestimmungen
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Kostenbasis werden grundsätzlich die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für FuE-Vorhaben (NKBF98).
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Ausgabenbasis werden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und die Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF98).
7 Verfahren
7.1 Einschaltung eines Projektträgers und Anforderung von Unterlagen
Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMBF seinen Projektträger
Projektträger DESY
22603 Hamburg
Telefon: 0 40 89 98-37 02
Telefax: 0 40 89 94-37 02
E-Mail: pt(at)desy.de
WWW: http://pt.desy.de
beauftragt.
Ansprechpartner(in) sind:
Dr. Olaf Kühnholz
(insb. Neutronen, BMBF-VIK Dubna-Kooperation)
Telefon 0 40 89 98-29 17
E-Mail: olaf.kuehnholz(at)desy.de
Dr. Michael Birke
(insb. niederenergetische Photonen, geladene Teilchen)
Telefon 0 40 89 98-61 98
E-Mail: michael.birke(at)desy.de
Dr. Wolfram Meyer-Klaucke
(insb. Photonen)
Telefon 0 40 89 98-50 20
E-Mail: wolfram.meyer-klaucke(at)desy.de
Dr. Tinka Spehr
(insb. Neutronen und Beschleunigerphysik)
Telefon 0 40 89 98-50 29
E-Mail: tinka.spehr(at)desy.de
Zur Erstellung der förmlichen Förderanträge soll das neue elektronische Antragssystem "easy-Online"3 genutzt werden: https://foerderportal.bund.de/easyonline/
Für den Antrag im Formular die Fördermaßnahme "Erforschung kondensierte Materie 2013-2016" auswählen. Die Vorhabenbeschreibung sollte einen Umfang von 10 Seiten (Arial 11pt) nicht überschreiten.
Hinweise zur Antragstellung finden sich auf den Webseiten des Projektträgers:
http://pt.desy.de/bekanntmachungen/
Vordrucke für Förderanträge, Richtlinien, Merkblätter, Hinweise und Nebenbestimmungen können unter der Internetadresse
(dort unter "Formularschrank/BMBF") abgerufen werden.
7.2 Vorlage förmlicher Förderanträge und Entscheidungsverfahren
Bis spätestens 10. Dezember 2012 sind dem Projektträger förmliche Förderanträge - möglichst unter Nutzung von "easy-Online" - in schriftlicher und elektronischer Form auf dem Postweg vorzulegen. Bei Verbundprojekten sind die Förderanträge in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator vorzulegen.
Die Vorlagefrist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Anträge können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden.
Die eingegangenen Anträge werden unter Beteiligung des BMBF-Gutachterausschusses "Erforschung kondensierter Materie an Großgeräten 2013-2016" nach folgenden Kriterien bewertet:
- forschungspolitische Relevanz für die strategische Entwicklung der Großgeräteinfrastruktur,
- wissenschaftliches Niveau der instrumentellen oder methodischen Entwicklung im internationalen Vergleich,
- Exzellenz der wissenschaftlichen Fragestellung, die der jeweiligen instrumentellen oder methodischen Entwicklung zugrunde liegt,
- wissenschaftliches Potenzial für eine breitere Nutzerschaft oder die Erschließung neuer Forschungsfelder,
- Bedeutung für das Forschungsprogramm des Großgeräts, Abstimmung mit dem Betreiber,
- Ausbau der speziellen Stärken des Großgeräts,
- Kompetenz der Projektleitung bzw. des Projektverbundes und der Partner eines Verbundprojektes,
- Struktur und Erfolgsaussichten des Vorhabens sowie Ergebnisverwertung,
- Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Auf der Grundlage der Bewertung wird nach abschließender Antragsprüfung über eine Förderung entschieden. Beabsichtigter Förderbeginn ist der 1. Juli 2013.
Die Projekte sollen auf eine Bearbeitungszeit von maximal drei Jahren ausgerichtet und unter Angabe von konkreten Meilensteinen strukturiert sein.
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO sowie die §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes, soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
8 Inkrafttreten
Diese Förderrichtlinien treten mit dem Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Bonn, den 4. Oktober 2012
Bundesministerium
für Bildung und Forschung
Im Auftrag
Dr. Heike Prasse
1Auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen BMBF und Bayerischem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
2Auf der Grundlage der BMBF-VIK Dubna-Kooperationsvereinbarung
3"easy-Online" ersetzt das bisherige elektronische (offline-)Antragssystem "easy".