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Deutsch-Russische Berufsbildungskonferenz in Kaluga

Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft trafen sich zu der Deutsch-Russischen Berufsbildungskonferenz "Moderne Berufsbildung: Herausforderungen und Perspektiven für Wirtschaft und Gesellschaft" vom 29. bis 30. März 2012 in Kaluga.

Von deutscher Seite nahmen Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), von iMOVE und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sowie die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, deutsche Industrieunternehmen und Anbieter beruflicher Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen teil.

Deutsch-Russische Berufsbildung

Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen ziehen an: Im Jahr 2011 betrugt der Umsatz im Handel zwischen den beiden Ländern 75 Milliarden Euro. 6.300 deutsche Unternehmen sind gegenwärtig in 85 russischen Regionen tätig. Viele davon sind mittelständische Betriebe, die ihre Produktion nach Russland verlegt haben.

Ein typisches Problem des Wachstumsmarktes bildet allerdings der Fachkräftemangel, unter dem die russischen und die deutschen Unternehmen vor Ort gleichermaßen leiden. Als erste Gegenmaßnahmen haben viele der deutschen Unternehmen in Russland innovative Ausbildungskonzepte auf regionaler Ebene umgesetzt, Schulungszentren eingerichtet und eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild eingeführt.

Um zur Behebung des Fachkräftemangels beizutragen, trafen sich kürzlich Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. "Moderne Berufsbildung: Herausforderungen und Perspektiven für Wirtschaft und Gesellschaft" lautete der Titel einer Deutsch-Russischen Berufsbildungskonferenz in Kaluga, rund 200 Kilometer südwestlich von Moskau.

Berufsbildung ist eine der vier thematischen Säulen des "Deutsch-Russischen Jahres der Bildung, Wissenschaft und Innovation 2011/12". Im gemeinsamen Wissenschaftsjahr setzen sich beide Länder verstärkt dafür ein, Fachkräfte zu qualifizieren und damit in die Zukunft ihrer Länder zu investieren.

Beispiele für moderne Ausbildung

Am Vorabend der Konferenz besuchten die Teilnehmer das Werk der Volkswagen Group Rus (VWGR) und das College für Informationstechnologien und Verwaltung in Kaluga, mit dem die VWGR bei der Ausbildung kooperiert. Dort konnten sie sich vor Ort ein Bild der dortigen modernen Arbeits- und Ausbildungsbedingungen verschaffen. 

Seit 2010 besteht zwischen der VWGR und dem College eine Ausbildungskooperation in fünf Berufen. Die Curricula dieser Berufe entsprechen zum einen den russischen Berufsausbildungsstandards und wurden zum anderen verknüpft mit den deutschen Standards für Kfz-Mechatroniker, Mechatroniker, Fahrzeuglackierer, Konstruktionsmechaniker und Fertigungsmechaniker. Somit erhalten die Absolventen sowohl den staatlichen russischen Abschluss als auch Zertifikate der VWGR und der Auslandshandelskammer Moskau.

Konferenz 

Zentrale Themen der Berufsbildungskonferenz in Kaluga bildeten das duale System der beruflichen Bildung in Deutschland und seine Übertragbarkeit auf russische Verhältnisse. Die Verantwortung der Privatwirtschaft für die Ausbildung wurde ebenso angesprochen wie die Verantwortung des Staates für die Festlegung von Bildungsstandards und deren Qualitätsmanagement.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass erfolgreiche regionale Projekte zur beruflichen Bildung Pilotcharakter für andere Branchen, aber auch auf föderaler Ebene haben können. Die deutsche und die russische Seite befürworten den Auf- und Ausbau gemeinsamer Berufsbildungsinitiativen. Sie beabsichtigen, die Berufsbildung demnächst bilateral auf Regierungsebene noch intensiver zu thematisieren.

Das aufstrebende Industriezentrum Kaluga zeichnet sich durch eine hohe Dichte ausländischer Unternehmen und eine niedrige Arbeitslosigkeit aus. Einen wichtigen Beitrag zum großen Anteil hoch qualifizierter Fachkräfte, die für den wirtschaftlichen Boom mit verantwortlich sind, leistet laut Anatolij Artamonov, Gouverneur von Kaluga, das duale System der beruflichen Bildung aus Deutschland, dessen Praxisbezug in die Ausbildung in der Region noch stärker Eingang finden soll.

In seiner Begrüßung hob Artamonov die große Bedeutung hervor, die die Zusammenarbeit von deutschen und russischen Partnern bei der Berufsausbildung in der Region schon heute spielt. Als Beispiel nannte er das College für Informationstechnologien und Verwaltung. In dieser Einrichtung, die in partnerschaftlicher Abstimmung zwischen Kaluga und dem deutschen Automobilkonzern Volkswagen arbeitet, wurden bereits 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich weitergebildet.

Artamonov kündigte an, dass in der Stadt Obninsk (Region Kaluga) demnächst ein Förderprojekt der russischen Föderation zum Ausbau des ortsansässigen Pharma-Clusters startet. Am Aufbau des Schulungszentrums für die Pharma-Branche wird der TÜV Rheinland beteiligt sein. Auch auf Hochschulebene werden Kooperationen mit deutschen Partnern angestrebt.

Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im BMBF, zeigte sich beeindruckt von den erfolgreichen regionalen Ausbildungsinitiativen in deutsch-russischer Kooperation und wies darauf hin, dass sie Pilotfunktion für andere Sektoren, aber auch auf föderaler Ebene haben können. Nach seinen Worten erwerben junge Menschen mit einer fundierten Ausbildung nicht nur Handlungskompetenzen, sondern auch Zukunftschancen. Dies spiegelt sich auch in der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland wider.

In seiner Schilderung des dualen Systems hob Schütte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern Unternehmen, Gewerkschaften und Staat und ihre Verantwortung in der modernen Arbeitswelt hervor.

Schütte unterstrich das Interesse der deutschen Regierung an deutsch-russischen Bildungspartnerschaften. In diesem Zusammenhang nannte er eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem deutschen BIBB und dem russischen Föderalen Institut für die Entwicklung der Bildung (FIRO), die anlässlich der Eröffnung des "Deutsch-Russischen Jahres der Bildung, Wissenschaft und Innovation 2011/12" in Moskau geschlossen wurde.

Der Abgleich von Berufsbildungsstandards und Curricula in Deutschland und Russland soll langfristig zu landesweit anerkannten Standards in Russland beitragen, in einem Pilotprojekt zunächst für die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.

Als weiteres, direkt vom Bundesbildungsministerium gefördertes Projekt nannte er "Russian Industrial Skills Training", in dessen Rahmen ein Trainingszentrum für den gewerblichen Handel in Kaluga errichtet werden soll.

Die stellvertretende russische Forschungsministerin Inna Bilenkina gab bekannt, dass sowohl die deutsche als auch die russische Seite darauf hinwirken wollen, die Berufsbildung in den aktuell geplanten deutsch-russischen Regierungskonsultationen zu thematisieren.

In ihrer Eröffnungsrede gab sie einen Einblick in verschiedene Bildungsprojekte, in die die Russische Föderation gegenwärtig investiert. Ausführlich schilderte sie ein branchenorientiertes föderales Entwicklungsprogramm, in dem die Berufsbildung eine wesentliche Rolle spielt. Für dieses Programm sind im Haushalt der Regierung 450 Millionen Euro bis 2013 vorgesehen, mit denen etwa die technische Ausstattung in Bildungseinrichtungen und die Ausbildung der Lehrkräfte optimiert werden sollen.

Bilenkina betonte, dass die Privatwirtschaft zur Steigerung der Ausbildungsqualität in Zukunft noch stärker in die Berufsbildung einbezogen werden soll. Als Beispiel nannte sie ein erfolgreiches Projekt zur Entwicklung von Berufsbildungsstandards in der Automobilindustrie, an dem sich neben den führenden russischen Automobilherstellern auch das Unternehmen Volkswagen beteiligt hat.

Für die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer hob ihr Vorstandsvorsitzender Michael Harms das bisherige Engagement der deutschen Wirtschaft in Russland hervor, ebenso wie die Chancen von Public-Private-Partnerships. Außerdem unterstrich er die Rolle der Industrie- und Handelskammern bei der Prüfung und Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

In den anschließenden Vorträgen äußerten sich deutsche und russische Experten zur Entwicklung von Bildungsstandards, zum Aufbau von Ausbildungszentren und zu den Erfahrungen deutscher Betriebe in Russland mit der Qualifizierung von Personal.

Am Konferenznachmittag fand zudem ein Roundtable mit deutschen Bildungsdienstleistern statt. Die Deutsche Management Akademie Niedersachsen (DMAN), die Gesellschaft für Schweißtechnik International mbH (GSI SLV Baltikum), proLean Consulting, die Landesakademie Esslingen und Festo Didactic präsentierten hier ihre Bildungsangebote.

Quelle: iMOVE Redaktion: Länder / Organisationen: Russland Themen: Berufs- und Weiterbildung

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