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Frankreich: Wachsendes Interesse an Gender Studies

Berichterstattung weltweit

Geschlechterforschung wird an den französischen Universitäten zunehmend als Studienfach angeboten. Das Onlinemagazin EducPros.fr hat die Entwicklung anlässlich der Neunten Europäischen Konferenz zur Gleichstellung im Hochschulwesen zusammengefasst.

Im akademischen Jahr 2016/2017 werden mehrere neue Masterprogramme mit Schwerpunkt Gender Studies angeboten, etwa an der Universität Bordeaux-Montaigne oder der Universität Lyon 1. Insgesamt absolvieren etwa 500 Studierende eines der zehn Programme, die Bewerberzahlen lägen jedoch deutlich höher, so EducPros.fr. Die Universitäten Grenoble, Maine, Rennes 2 und Bretagne Occidentale starten zudem berufsbegleitende Angebote. Die existierende Ablehnung dieses Forschungsgegenstands unter französischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bleibe hierbei bestehen: „Meine Kolleginnen und Kollegen sind geteilt, einige sehen darin keinen Sinn.“, berichtet Yves Raibaud, Gleichstellungsbeauftragter der Universität Bordeaux-Montaigne. Jedoch zeige die Schaffung der neuen Studienangebote auch eine neue Dynamik.

„Die Protestbewegung ‚La Manif pour tous‘ [Die Demo für alle – Bewegung insbesondere gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, AdR] hat mit ihren Hirngespinsten zu den Geschlechtertheorien viel Werbung für uns gemacht“, meint der Vizepräsident für Gleichstellung und bürgerliches Leben der Universität Lyon 2, Yannick Chevalier, ironisch. Und ergänzt: „Die Studierenden haben häufig ein gesellschaftspolitisches oder wissenschaftliches Interesse für soziale Verhältnisse“. Für Yves Raibaud trifft dies auf ein zunehmendes Interesse der Unternehmen: „Die Gender Studies haben  auch vom institutionellen Kontext mit einer Reihe von Gesetzen zur Gleichstellung profitiert.“ Unternehmen und Einrichtungen würden dadurch zu Maßnahmen in diesem Bereich angeregt bzw. verpflichtet und schafften entsprechende Stellen. Um der Nachfrage nachzukommen, wird daher beispielsweise die Universität Lyon 2 zum Wintersemester 2017/2018 einen berufsbegleitenden Master „Gender Studies: Territorien und staatliches Handeln“ anbieten.

Zum Wintersemester 2016/2017 dürfen Masterprogramme zudem erstmals die Spezialisierung „Gender Studies“ (études sur le genre) aufweisen. Zuvor wurden sie unter Geschichte oder Soziologie zusammengefasst. Denn obwohl spezialisierte Masters seit einer Weile existieren, verteilen sie sich auf verschiedene Disziplinen und werden häufig als Wahlfach angeboten. Diese Transversalität erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der französischen Geschlechterstudien. Diese geht auf die 68er-Bewegung und die Gründung der Frauenbewegung MLF (Mouvement de libération des femmes) zurück. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Wissenschaftlerinnen an den Hochschulen zu. Über die Disziplinen hinweg organisierten sie sich, um ihre Interessen zu vertreten. Diese Interdisziplinarität blieb bei den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zum Feminismus und dann auch zu den Geschlechtern erhalten. An der Universität Toulouse 2 zum Beispiel können die Studierenden durch ein mit Mitteln der französischen Exzellenzinitiative PIA finanziertes Netzwerk aus 14 Masterprogrammen zusätzlich Kurse in Gender Studies belegen und so ein entsprechendes Diploma Supplement, das „Arpège-Label“, erhalten.

Die Interviewpartner von EducPros.fr zeigen sich bezüglich der Berufsaussichten ihrer Absolventinnen und Absolventen optimistisch: in den nächsten Jahren würden in Frankreich Hunderte, wenn nicht Tausende neuer Stellen im Bereich Gleichstellung entstehen, meint Yves Raibaud, sei es in Unternehmen, Regionalräten, Vereinen oder Hochschulen. Zudem sei eine Spezialisierung in den Geschlechterstudien auch hilfreich in anderen Berufsfeldern wie dem Journalismus, dem Personalwesen oder der Kultur, wird Sylvie Chaperon, Dozentin und Koordinatorin des Arpège-Netzwerks, zitiert.

Die Neunte Europäische Konferenz zur Gleichstellung im Hochschulwesen fand vom 12. Bis 14. September erstmals in Paris statt und wurde vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS (Centre national de la recherche scientifique) und den Universitäten Paris Diderot sowie Sorbonne Paris Cité mit Unterstützung des Bildungsministeriums (Ministère de l’Education nationale, de l’Enseignement supérieur et de la Recherche) organisiert. 300 Vertreter aus 26 Ländern diskutierten über die Förderung von Gleichstellung in der Wissenschaft, Karrierehürden für Frauen sowie Lehre und Forschung zum Thema. Im Rahmen der Konferenz wurde auch der Prix Irène Joliot-Curie verliehen, mit dem das Bildungsministerium mit Unterstützung der Airbus Group jährlich drei herausragende Wissenschaftlerinnen auszeichnet.

Quelle: educpros.fr Redaktion: von Kathleen Schlütter, Deutsch-Französische Hochschule Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Bildung und Hochschulen Berufs- und Weiterbildung Geistes- und Sozialwiss. sonstiges / Querschnittsaktivitäten

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