StartseiteLänderAmerikaKanadaZusammenfassungÜberblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik

Überblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik: Kanada

Mit Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in Höhe von 34,12 Milliarden USD (kaufkraftbereinigt, Bezugsjahr 2022) belegt Kanada im weltweiten Vergleich Rang 12 nach Brasilien (eigene Berechnungen auf der Basis der OECD- und UNESCO-Daten). Die FuE-Intensität – das heißt der Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – hatte in Kanada 2004 noch 2 Prozent betragen. Bei langfristig rückläufiger Tendenz und zwischenzeitlichen Aufwüchsen ab 2017 lag der Anteil zuletzt aber nur noch bei 1,6 Prozent (2022) und damit weiter deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Ein wichtiger Grund dafür ist die Zurückhaltung der einheimischen Wirtschaft in Kanada (siehe FuE-Indikatoren).

In Bezug auf die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen verbesserte sich Kanada 2022 im globalen Vergleich auf Rang 8, nachdem das Land 2020 Rang 10 erreicht hatte (Quelle: SCImago. SJR — SCImago Journal & Country Rank. Retrieved June 30, 2023, from www.scimagojr.com).

Im Global Innovation Index (GII) 2022, in dem Innovationsleistungen der Länder weitgehend unabhängig von absoluten Größenordnungen bewertet werden, liegt Kanada im weltweiten Vergleich auf Rang 15.

Die Zuständigkeiten für Forschung, Wissenschaft und Bildung sind auf die bundesstaatliche Regierung und die zehn Provinzen und drei Territorien aufgeteilt. Das Bildungswesen wird von den einzelnen Regierungen der Provinzen und Territorien verwaltet. Die Provinzen verfügen alle über Bildungsministerien sowie teilweise über eigene Innovations-/Wisenschaftsministerien, welche insbesondere lokale Wissens- und Wirtschaftskräfte stärken sollen.

Im Mai 2007 wurde unter der ehemaligen konservativen Regierung in Kanada die Wissenschaftsstrategie mit dem Titel „Mobilizing Science and Technology to Canada's Advantage“ verabschiedet. Der Schwerpunkt der Förderung liegt seitdem auf dem Themenfeld Technologietransfer. Eine überarbeitete Fassung der nationalen Forschungs- und Entwicklungsstrategie wurde sieben Jahre später unter dem Titel „Seizing Canada´s Moment: Moving Forward in Science, Technology and Innovation 2014“ veröffentlicht. Diese baut auf die vorherige Version kontinuierlich auf, und ergänzt die thematischen Schwerpunkte um Landwirtschaft und Fortgeschrittene Fertigungstechnologien.

Thematisch fokussiert sich Kanada im FuE-Bereich auf Umweltforschung und Umwelttechnologie, Rohstoffe und Energie, Gesundheitsforschung und gesundheitsrelevante Lebenswissenschaften sowie Informations- und Kommunikationswissenschaften. Seit 2014 gehören auch Landwirtschaft und Fortgeschrittene Fertigungstechnologien zu den thematischen Prioritäten.

Die verschiedenen Fachministerien und deren nachgeordnete Einrichtungen, die so genannten „Science Based Departments and Agencies (SBDAs), tragen die Verantwortung für die Forschung in ihrem Forschungsressort. Wichtig sind hier vor allem folgende Ministerien, die alle auch über eigene Forschungsinstitute verfügen: „Environment and Climate Change Canada“, „Natural Resources Canada“, „Agriculture and Agri-Food Canada“, „Fisheries and Oceans Canada“ und „Health Canada“. Das  Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Industrie („Inovation, Science and Industry“) ist für die übergeordneten Fragen der Forschungs- und und Forschungsförderpolitik zuständig. Außerdem ist es für zwei Förderorganisationen, verschiedenen strategische Programme und die Forschungsorganisation National Research Council Canada zuständig.

Nach den Neuwahlen vom 19. Oktober 2015 und der Vereidigung der Regierung im November desselben Jahres kam die liberale Partei von Premierminister Justin Trudeau in Regierungsverantwortung. Inhaltlich unterschied sich das Programm der liberalen Regierung von der zuvor konservativen Regierung unter Stephen Harper (seit 2006) in mehreren Punkten: Die Themen Wissenschaft, Innovation und Klimawandel gewannen an Bedeutung. Das ehemalige Ministerium „Environment Canada“ wurde in „Environment and Climate Change Canada“ umbenannt. Navdeep Singh Bains, der bereits 2015 zum Minister für Innovation und Wissenschaft ernannt wurde, übt auch nach den Wahlen im Oktober 2019 diese Funktion unter Premierminister Trudeau aus.

Die Hochschulen liegen in Kanada im Verantwortungsbereich der kanadischen Provinzen und Territorien. Auch öffentliche Hochschulen erheben für einheimische Studierende relativ hohe Studiengebühren. Kanada gehört damit unter den OECD-Ländern zur Spitzengruppe. Im Vergleich zu den USA sind die Studiengebühren in Kanada allerdings deutlich günstiger.

Die Interessenvertretung Universities Canada (UC) umfasst mittlerweile 96 öffentliche und gemeinnützige private Universitäten und Colleges, die Abschlüsse auf dem Universitätsniveau anbieten. Von diesen haben sich die 15 forschungsstärksten 2012 als U15 organisiert.

Forschung in Kanada ist auf die vier Provinzen Ontario, Québec, British Columbia und Alberta konzentriert. Zwölf der „U15“-Universitäten haben ihren Sitz in den vier Provinzen. Das Portal Kooperation International bietet ein Porträt zu der Hightech-Region Vancouver in der Provinz British Columbia an.

Von bundesstaatlicher Seite werden Transferzahlungen an die Hochschulen geleistet, z.B. durch spezielle strategische Forschungs- und Förderprogramme. Drittmittel für Forschung können bei den drei nationalen Förderorganisationen (Natural Sciences and Engineering Research Council – NSERC, Social Sciences and Humanities Research Council – SSHRC und Canadian Institutes of Health Research – CIHR) eingeworben werden. Durch das Programm „Canada Research Chairs“ werden neue Professuren an den Hochschulen etabliert. Über die Canada Foundation for Innovation (CFI) wird ein erheblicher Anteil von neuer Infrastruktur an Hochschulen gefördert.

  • Inspiriert durch die deutsche Exzellenzinitiative hat Kanada 2014 einen Exzellenz-Fonds eingerichtet, welcher den Hochschulen 1,5 Mrd. CAD verteilt über 10 Jahre zur Verfügung stellt. Im Jahr 2016 wurde die Bereitstellung massiver zusätzlicher Mittel für Forschung und Innovation bekanntgegeben (2 Mrd. CAD für Infrastruktur an Hochschulen über drei Jahre, 800 Mio. CAD für Innovationscluster über vier Jahre, zusätzliche Mittel für Fördereinrichtungen).
  • Als eine sichtbare Initiative der neuen liberalen Regierung wurde eine wettbewerbliche „Innovation Superclusters Initiative“ ausgeschrieben. Fünf Initiativen werden gefördert, das Digital Technology Supercluster (British Columbia), das Protein Industries Supercluster (Prärieprovinzen), das Advanced Manufacturing Supercluster (Ontario), das AI-Powered Supply Chains Supercluster (Quebec) und das Ocean Supercluster (Atlantikregion). Diese sollen mit insgesamt 950 Mio. CAD gefördert werden.
  • Im Dezember 2018 hat die kanadische Wissenschaftsministerin Kirsty Duncan den „New Frontiers in Research Fund“ (NFRF) vorgestellt, der internationale, interdisziplinäre, risikoreiche und damit potenziell bahnbrechende Forschung fördern soll. Dafür wurden umgerechnet 275 Mio. CAD für die nächsten fünf Jahre aus dem Haushalt 2018 bereitgestellt. in den Folgejahren stehen weitere knapp 65 Mio. EUR zur Verfügung.

Die kanadische Regierung hat in den den vergangenen zwei Jahren umfangreiche Beratungsleistungen in Anspruch genommen, jedoch nicht auf den Science, Technology and Innovation Council (STIC) zurück gegriffen, der unter der konservativen Regierung alle zwei Jahre Berichte mit Empfehlungen erstellt hat. Im September 2017 wurde Mona Nemer als Chief Science Advisor ernannt. Sie hat die Aufgabe, der kanadischen Regierung wissenschaftsbasierte Empfehlungen zur Politikgestaltung zu geben. Außerdem ließ sich die Regierung zwei Berichte vorlegen: den ersten 2017 durch ein speziell eingerichtetes Beratungsgremium (Naylor-Bericht) und den zweiten durch den Council of Canadian Academies (CCA), der in größeren Abständen umfangreiche Bestandsaufnahmen zum kanadischen System (2006, 2012 und 2018) durchführt.

Der Naylor-Bericht, erstellt durch das „Advisory Panel for the Review of the Federal Support for Fundamental Science” hat 2017 eine Reihe grundlegender Reformen im kanadischen Forschungssystem empfohlen (Investing in Canada’s Future: Strengthening the Foundations of Canadian Research). Dazu gehört, die kanadischen öffentlichen Ausgaben für Forschung an Hochschulen deutlich zu erhöhen, insbesondere für Projekte, deren thematische Ausrichtung und Fragestellung durch die Forschenden selbst bestimmt wird („investigator led research“). Der Vorschlag, für die vier großen Fördereinrichtungen im Bereich Natur-, Gesundheits- und Sozialwissenschaften sowie Forschungsinfrastrukturen ein koordinierendes Gremium einzurichten, wurde mit der Schaffung des Kanadischen Forschungskoordinierungsausschusses (Canada Research Coordinating Committee, CRCC) bereits im selben Jahr umgesetzt.

Der Council of Canadian Academies (CCA) schätzt (Competing in a Global Innovation Economy: The Current State of R&D in Canada") die Ergebnisse der kanadischen Forschungsanstrengungen – vor allem in Form vielzitierter Publikationen – als sehr positiv ein, zeigt sich aber besorgt über den Rückgang der Ausgaben für Forschung und Entwicklung seit 2001, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Bestimmte Tendenzen in der Industrie wie mangelnde Investitionen, Konzentration von Aktivitäten in großen Firmen sowie die Kontrolle durch ausländisches Kapital geben ebenfalls Anlass zu Sorge. In vielen wichtigen Technologien wird Kanada nicht mehr als weltweit führend angesehen.

Die liberale Regierung hat eine neue Wissenschaftsstrategie angekündigt, die aber noch nicht erschienen ist.

Projektträger