Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in dieser Ausgabe informieren wir Sie gerne über Berichterstattung zur Forschungs-, Bildungs-, Technologie- und Innovationspolitik weltweit. Chancen und Risiken in diesen Bereichen bilden einen roten Faden, der sich durch die Berichterstattung der letzten Wochen zieht. Ein Beispiel ist der zunehmende Fokus auf das Thema Forschungssicherheit, den die OECD in der neuesten Ausgabe ihrer Flaggschiffpublikation zu Wissenschaft, Technologie und Innovation (OECD STI Outlook) thematisiert. Die UNESCO hat derweil ethische Leitlinien für die Entwicklung von Neurotechnologien veröffentlicht. Bei der Innovationsförderung plant die Europäische Union, im kommenden Jahr neue Ansätze zu testen, die auf US-amerikanischen Vorbildern beruhen. Die Ergebnisse sollen in die Gestaltung des kommenden Rahmenprogramms für Forschung und Innovation (Horizont Europa FP10) einfließen.
OECD STI Outlook: Der Trend zur Forschungssicherheit
Ende Oktober hat die OECD ihre alle zwei Jahre erscheinende Flaggschiffpublikation zu Wissenschaft, Technologie und Innovation (OECD STI Outlook 2025) veröffentlicht. Für Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Verwaltung liefert die OECD-Analyse wichtiges Orientierungswissen, um nationale Strategien und Förderinstrumente weiterzuentwickeln. Dabei verfügt die OECD mit dem STIP Compass über eine breite Daten- und Informationsbasis: Der zwischen Februar und Juni 2025 durchgeführte STIP-Survey umfasst rund 8.700 aktive Politikinitiativen – davon 2.100 neue – aus weltweit 63 Ländern sowie der Europäischen Union. In ihrer zusammenfassenden Analyse stellt die OECD fest, dass sowohl nationale Wissenschafts-, Technologie- und Innovationspolitiken als auch internationale Kooperationen zunehmend durch geopolitische Spannungen und Sicherheitsbedenken geprägt werden. So sind die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) im Sektor Verteidigung in den letzten zehn Jahren um 75 Prozent gewachsen – fast doppelt so schnell wie die gesamten FuE-Ausgaben. Zudem zeigt der Bericht einen starken Anstieg von Sicherheitsmaßnahmen im Forschungsbereich, beispielsweise zum Schutz sensibler Forschungsergebnisse und zur Verhinderung ausländischer Einmischung. Zwischen 2018 und 2025 stieg die Anzahl der Länder mit entsprechenden Maßnahmen von 12 auf 41, während sich die Anzahl der erfassten Maßnahmen im selben Zeitraum fast verzehnfachte. Die Empfehlungen der OECD zur Politikgestaltung stellen auf ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Zielsetzungen ab: Schutz nationaler und wirtschaftlicher Sicherheit, Wahrung der akademischen Freiheit, Förderung der internationalen Forschungszusammenarbeit sowie Gewährleistung von Offenheit und Nicht-Diskriminierung. Derweil hat die Europäische Kommission Ende Oktober auf der ersten europäischen "Flagship Conference on Research Security" einen neuen Maßnahmenkatalog vorgestellt, um Forschung in der EU besser zu schützen.
UNESCO-Leitlinien zu Neurotechnologien
Im Gegensatz zu der großen Aufmerksamkeit, die der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) zuteil wird, bleiben Fortschritte in der neurotechnologischen Forschung häufig vergleichsweise unbeachtet. Die Niederlande haben in diesem Monat ihre Projektauswahl zur Förderung von elf großen Forschungsinfrastrukturen bekanntgegeben. Eines dieser Projekte ist "EBRAINS-Neurotech", durch das eine kohärente Infrastruktur geschaffen werden soll. Ziel ist es dabei, fortschrittliche Gehirnimplantate zu testen und digitale Gehirnmodelle zu entwerfen, um die Funktionsweise des Gehirns besser zu verstehen und neue Therapien für Störungen und Krankheiten zu entwickeln. Mögliche Fortschritte in den Neurotechnologien werden allerdings nicht nur positiv wahrgenommen; vielmehr lösen diese auch Ängste und ethische Bedenken aus. Die am 5. November verabschiedete UNESCO-Empfehlung "Recommendation on the Ethics of Neurotechnology" setzt demgegenüber auf forschungs- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen – vor allem bei medizinischen und therapeutischen Anwendungen, etwa für Menschen mit Behinderungen – und verknüpft diese mit klaren Leitplanken: verbindliche Zustimmungsregeln für individuelle Anwendungen sowie Schutzpflichten, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
EU-Innovationsförderung: Neue Ansätze nach US-amerikanischem Vorbild
Die Europäische Kommission hat das Arbeitsprogramm des Europäischen Innovationsrats (EIC) angenommen, mit dem 1,4 Mrd. EUR zur Unterstützung der vielversprechendsten Unternehmen und Forschenden bereitgestellt werden. Neben der Vereinfachung von Verfahrensregeln ist ein Pilotvorhaben für fortgeschrittene Innovationsherausforderungen geplant, das sich an dem US-amerikanischen Ansatz der Advanced Research Projects Agency (ARPA) orientiert. Ziel ist es, risikoreiche Projekte mit hohen Ertragschancen in Bereichen zu unterstützen, bei denen Europa in der Forschung führend ist, Ideen jedoch oft nur zögerlich in reale Produkte und Unternehmen umsetzt.
Aufbauend auf den Erfahrungen der EIC-Programmmanager wird ein abgestuftes Finanzierungskonzept eingeführt: Dieses umfasst eine erste Phase, in der eine Reihe von Projekten unterstützt werden, die unterschiedliche Lösungsansätze für die jeweilige Herausforderung bieten. In einer zweiten Phase werden dann die vielversprechendsten Lösungen mit umfangreicheren Finanzmitteln gefördert, um Prototypen zu entwickeln und Nutzungstests durchzuführen.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre zu diesen und vielen anderen strategischen Entwicklungen in der internationalen Forschungs-, Bildungs-, Technologie- und Innovationspolitik, die wir in der vorliegenden Ausgabe für Sie ausgewählt und aufbereitet haben.
Ihre Sonja Bugdahn und Anna März
Über den ITB infoservice
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