Länderbericht: Tunesien

Länderbericht

Tunesien

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

1Allgemeine Landesinformationen

Bevölkerung/Geografie

Ländername

El Djumhuriya El Tunisiya / République Tunisienne

Tunesische Republik

Tunesien

Fläche

164.150 km²

Bevölkerungszahl

11,5 Mio.

(Schätzung 2018)

Lebenserwartung

Männer: 74,3 Jahre

Frauen: 77,6 Jahre

(Schätzung 2018)

Altersstruktur

0-14 Jahre: 25,3 %

15-64 Jahre: 64,5 %

65 Jahre und älter: 8,2 %

(Schätzung 2018)

Bevölkerungswachstum

0,95 % (Schätzung 2018)

Bevölkerungsgruppen

98 % Araber

1 % Europäer

1 % Juden und Sonstige

Sprachen

Arabisch (Amtssprache), Französisch (Verkehrssprache), Tamazight (Berberdialekt)

Religionen

99,1 % Muslime

1 % Sonstige (sehr kleine jüdische und christliche Gemeinden)

Nationalfeiertag

20. März (Tag der Unabhängigkeit, 1956)

Zeitzone

MEZ (UTC + 1)

Es gibt keine Sommer- / Winterzeit.

Währung

1 Tunesischer Dinar TND/ 1000 Millimes

 

Aktueller Wechselkurs unter OANDA.com - Währungskonverter.

Vorwahl

+216

Quelle: Auswärtiges Amt, CIA World Factbook, www.oanda.com

Tunesien liegt in Nordafrika und grenzt im Norden und Osten an das Mittelmeer, im Westen an Algerien und im Südosten an Libyen. Die tunesische Mittelmeerküste ist 1.148 km lang, die Landgrenze zu Algerien misst 965 km, die Grenzlinie zu Libyen 459 km. Mit nur 140 km Entfernung zur Küste Siziliens ist Tunesien der am weitesten nördlich gelegene Staat Afrikas und mit 164.150 km² Fläche zugleich der kleinste der nordafrikanischen Mittelmeeranrainer.

Das Staatsgebiet Tunesiens schließt Teile verschiedener geografischer Großräume ein, die den Bewohnern aufgrund ihrer besonderen topografischen und klimatischen Verhältnisse sehr unterschiedliche Lebensbedingungen bieten.

Das nordtunesische Bergland wird insgesamt von östlichen Ausläufern des Atlasgebirges geprägt. Entlang der nördlichen Mittelmeerküste verlaufen z.T. steil zum Meer abfallende Küstengebirge – im tunesisch-algerischen Grenzgebiet die Kroumirie, die nach Osten in das flachere Mogod-Bergland übergeht. Auf der südlichen, windabgewandten Seite der Küstengebirge befindet sich das fruchtbare Talbecken des Medjerda, des mit 450 km längsten Flusses Tunesiens, der als einziger Fluss des Landes ganzjährig Wasser führt und zugleich für 82% der tunesischen Süßwasservorkommen steht. Am Unterlauf des Medjerda sind wichtige Teile der tunesischen Landwirtschaft konzentriert.

Südlich des Medjerda-Tals beginnt der tunesische Zentralrücken, die Dorsale. Dieser vielgliedrige Höhenrücken erstreckt sich über 220 km von der algerischen Grenze in Richtung Nordosten bis zur Halbinsel Cap Bon und schließt auch die höchste Erhebung Tunesiens ein, den Djebel Chambi (1.544 m). Östlich der Dorsale liegt zwischen Hammamet und Mahdia die flache und niederschlagsreiche Küstenregion des Sahel (arab. "Ebene"), die einen weiteren Schwerpunkt der tunesischen Landwirtschaft bildet.

Die zentraltunesische Steppe erstreckt sich südlich der Dorsale und nördlich der südtunesischen Sahara von der algerischen Grenze bis fast zum Mittelmeer. Sie wird von Trockentälern, den Wadis, geprägt, weist in ihrem südlichen Teil bedeutende Phosphatvorkommen auf und wird nach Süden durch die sich von Algerien ins Land ziehende Schottsenke begrenzt. Diese Senke liegt unterhalb des Meeresspiegels und wird von Salzseen ("Schotts") wie dem Chott el Djerid und zahlreichen Oasen geprägt.

Den Süden Tunesiens prägt die Sahara mit dem Östlichen Großen Erg. Durch das weiter westlich gelegene Stufenland mit dem Kalksteinmassiv des Dahar wird die Sahara von der Djeffara-Ebene getrennt, die sich entlang der Küste von Gabès bis nach Libyen hinein erstreckt.

Klimatisch ist Tunesien von regional stark unterschiedlichen Temperaturen und Niederschlagsmengen geprägt. An den Küsten sorgt das Mittelmeer für ein relativ ausgeglichenes Klima, das jedoch zum Landesinneren hin einem ariden Kontinentalklima weicht. In den Wüstengebieten südlich der Schottsenke herrscht dagegen ein von extremen Temperaturunterschieden und fast ganzjähriger Trockenheit geprägtes Wüstenklima. Die infolge der globalen Klimaerwärmung zunehmende Unregelmäßigkeit der Niederschläge hat besonders in den teilweise gerade noch landwirtschaftlich nutzbaren zentraltunesischen Steppengebieten häufig Dürren zur Folge.

 

Politik/Administration

Ländername

Tunesische Republik

El Djumhuriya El Tunisiya, République Tunisienne

Hauptstadt

Tunis

Regierungsform

Nach der Revolution vom 14. Januar 2011 (Sturz Präsident Ben Alis infolge Volksaufstand) Auflösung des Parlamentes und Ernennung einer Übergangsregierung. Am 23.10.2011 Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung, die am 26. Januar 2014 eine neue Verfassung verabschiedete. Tunesien ist seitdem eine parlamentarische Republik mit Sonderrechten des Präsidenten in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die ersten regulären Wahlen des Parlaments und des Staatspräsidenten fanden Ende 2014 statt.

Staatsoberhaupt

Kaïs SAIED (Juraprofessor), gewählt am 13. Oktober 2019

Regierungschef/in

Youssef CHAHED

früher Nidaa Tounes, seit Januar 2019 Tahya Tounes ("Long Live Tunisia")

im Amt seit 27. August 2016, amtierend seit den Parlamentswahlen am 6. Oktober 2019

Außenminister/in

Khemaies JHINAOUI

seit 7. Januar 2016

Bildungsminister/in

Hatem BEN SALEM

Minister/in für Wissenschaft und Höhere Bildung

Slim KHALBOUS

Parlament

Versammlung der Volksvertreter, Einkammerparlament mit 217 nach dem Verhältniswahlrecht gewählten Mitgliedern. Aus den Wahlen am 6. Oktober 2019 ergab sich folgende Sitzverteilung: Ennahdha (islamisch-konservativ): 52 Sitze, Qalb Tunes: 38, Tayar: 22, Coalition Karama: 21, PDL: 17, Mouvement du Peuple: 16, Tahya Tounes ("Long Live Tunisia"): 14, Nidaa Tounes: 3, Sonstige Parteien: 22, Unabhängige: 12

Regierungsparteien

Ennahdha (islamisch-konservativ), Nidaa Tounes (säkular-konservativ), , Al Horra (sozialliberal), Afek Tounes (liberal) u. a.

Verwaltungsstruktur

24 Gouvernements mit von der Regierung eingesetzten Gouverneuren:

 

Tunis, Ariana, Ben Arous, Manouba, Beja, Jendouba, Kef, Siliana, Bizerte, Nabeul, Zaghouan, Gafsa, Kairouan, Kasserine, Mahdia, Monastir, Sfax, Sidi Bouzid, Sousse, Gabès, Kebili, Medenine, Tataouine, Tozeur

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Quelle: Auswärtiges Amt, CIA World Factbook

Staatsaufbau

Tunesien ist gemäß der Verfassung von 2014 ein freier, unabhängiger und souveräner Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Das Land ist noch zentralistisch aufgebaut und hat 24 Gouvernorate. Die  Revolution vom 14. Januar 2011 mit der Flucht des bisherigen Präsidenten Ben Ali hatte zu einer Phase des politischen Übergangs geführt. Am 23. Oktober 2011 wurde eine Verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt, die am 26. Januar 2014 die neue demokratische Verfassung verabschiedete.

Verfassungsorgane und aktuelle politische Lage

Die neue Verfassung sieht für Tunesien ein gemischtes Regierungssystem vor, in dem der Premierminister vom Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt und vom Parlament bestätigt werden muss. Der Premierminister bestimmt die Richtlinien der Politik, mit Ausnahme der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in der Zuständigkeit des Staatspräsidenten liegen, der direkt vom Volk gewählt wird.

Tunesien war von 1956 bis 2011 von autokratischen Präsidialregimen geprägt worden. Seit dem Volksaufstand 2010/11 haben sechs Premierminister mit neun Kabinetten regiert. Die erste Phase nach der Flucht des Präsidenten Ben Ali am 14.01.2011 prägten Übergangsregierungen, unterstützt von einer Hohen Instanz zur Verwirklichung der Ziele der Revolution als Ersatzparlament. Aus den freien und fairen Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung war anschließend eine Koalition aus Muslimdemokraten, Sozialdemokraten und Linksliberalen („Troika“) hervorgegangen, die nach zwei politischen Morden an bekannten Oppositionspolitikern 2013 wieder dem Druck der Straße weichen und unter Vermittlung eines Quartetts für den politischen Dialog aus Gewerkschaftsbund, Arbeitgeberverband, Rechtsanwaltskammer und Menschenrechtsliga (Friedensnobelpreis 2015) einer Expertenregierung Platz machen musste. Unterdessen konnte die Verfassungsgebende Versammlung ihre Arbeit am neuen Grundgesetz beenden, auf dessen Grundlage Ende 2014 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfanden. Während der Wahlkampf 2014 noch von starker Polarisierung zwischen Säkularen und Religiösen geprägt war, gewann nach dem Wahlsieg von Präsident Essebsi und der von ihm gegründeten Nidaa Tounes das Konsensprinzip Oberhand.

Aus den freien und fairen Parlamentswahlen 2014 ging eine seit 2015 regierende große Koalition unter Führung der säkular-konservativen Partei Nidaa Tounes sowie der islamischen Partei Ennahdha hervor. Seit 2016 ist eine „Regierung der nationalen Einheit“ unter Premierminister Youssef Chahed (Nidaa Tounes) im Amt, die 2017 und 2018 einer durchgreifenden Umbildung unterzogen wurde. Ihr Regierungsprogramm ist im sogenannten „Pakt von Karthago“ niedergelegt, der von neun Parteien sowie dem Arbeitgeberverband (UTICA), dem Gewerkschaftsbund (UGTT) und dem Verband der Bauern und Fischer (UTAP) unterzeichnet wurde.

Die Parlamentswahlen am 6.10.2019 ergaben keine klaren Mehrheiten. Die konservativ islamische Ennahdha wurde zwar stärkste Fraktion, hält aber nur 24 Prozent der Sitze. Die bisherige Regierungspartei Nidaa Tounes erhielt nur 1 Prozent der Sitze.

Aus den Präsidentschaftswahlen am 13.10.2019 ging der konservative Juraprofessor Kaïs Saïed als klarer Sieger hervor.

Staat und Religion

Tunesien ist ein mehrheitlich muslimisch geprägtes Land. Der Anteil der christlichen und jüdischen Minderheit beträgt unter ein Prozent der Bevölkerung. Die neue Verfassung von 2014 garantiert, wie schon die Verfassung von 1959, die Religionsfreiheit. Die islamistischen Kräfte konnten sich mit ihrer Forderung nach einer Verankerung des islamischen Rechtssystems der Sharia in der Verfassung nicht durchsetzen. Stattdessen wird das Prinzip eines zivilen Staates festgeschrieben. In der Gesellschaft ist seit der Revolution jedoch eine zunehmende Rückbesinnung auf islamische Werte und Lebensformen zu beobachten (Bekleidungsvorschriften, Einhalten des Fastens im Ramadan). Die Übergangsregierungen haben sich mit wachsendem Erfolg bemüht, die Moscheen des Landes zu kontrollieren, um den Einfluss radikaler Prediger (Salafisten) zurückzudrängen, die sich seit der Revolution in einigen Gemeinden etabliert haben.

Quelle: Auswärtiges Amt

 

Wirtschaftsinformationen

Ausführliche Daten über die tunesische Wirtschaft und die tunesisch-deutschen Handelsbeziehungen finden Sie  in der Reihe "Wirtschaftsdaten kompakt" von Germany Trade and Invest (GTAI). Diese wird zweimal jährlich im Mai und November aktualisiert. Folgende Indikatoren sind unter anderem enthalten: Einwohner, Bevölkerungsdichte, Währung, Wechselkurs, Bruttoinlandsprodukt, BIP je Einwohner, BIP-Wachstum, Inflationsrate, Durchschnittslohn, Arbeitslosigkeit, Haushaltssaldo, Außenhandel, wichtigste Ein- und Ausfuhrgüter, wichtigste Handelspartner, ausländische Direktinvestitionen, Länderbonität, Devisenreserven, Außenhandel mit der EU und Deutschland, wichtigste deutsche Ein- und Ausfuhrgüter.

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2Zusammenfassung

2.1 Überblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik

Bildungssystem

Zuständig für die Schulbildung ist das tunesische Bildungsministerium (Ministère de l’Education, ME). Das nach der Unabhängigkeit Tunesiens 1956 eingeführte Schulsystem ist stark an das französische, zentralistisch organisierte Bildungssystem angelehnt. Ähnlich wie in anderen arabischen Ländern gewinnen private Schulen an Bedeutung. Die Bildungsergebnisse sind derzeit nicht überzeugend, da Tunesien bei den PISA-Schulleistungstests hintere Ränge belegt (siehe Bildungsindikatoren).

In Tunesien beginnt die Grundschulbildung („Enseignement de Base") mit dem Eintrittsalter von sechs Jahren. Die ersten neun Jahre der Schulbildung sind verpflichtend und werden in sechs Jahre Grundschulbildung an einer Grundschule („École Primaire") und drei Jahre Hauptschulbildung an einem Collège unterteilt. Nach neun Jahren erfolgt ein erster Schulabschluss mit dem sogenannten „Diplôme de Fin d’Études de l’Enseignement de Base" (vergleichbar mit einem deutschen Haupt- bzw.  Realschulabschluss). Die vierjährige Sekundarstufe („Enseignement Secondaire") ist in eine zweijährige allgemeine Vorbereitung sowie zwei weitere Jahre der Spezialisierung aufgeteilt. Die Oberschule wird mit dem Abitur („Examen National du Baccalauréat", arab. al-bakaluria) abgeschlossen (imove 2017: Marktstudie Tunesien für den Export beruflicher Weiterbildung, S. 30). Das tunesische Abitur bietet je nach Spezialisierung in der Oberstufe eine Hochschulzugangsberechtigung für alle Studienfächer oder nur für ausgewählte.

Für die Berufsausbildung in Tunesien gibt es diverse Ausbildungsgänge und Abschlüsse, die teilweise innerhalb der Grundbildung (8./9. Klasse), teilweise im Bereich der Sekundarbildung oder post-sekundären Bildung absolviert werden können (imove 2017, S. 31). Zuständig ist in erster Linie das Ministerium für Beschäftigung und Berufsbildung (Ministère de l'Emploi et de la Formation Professionnelle, MFPE). Unterstützt wird das MFPE durch die Ministerien für Tourismus, für Landwirtschaft oder auch für Gesundheit, die branchenspezifische Teilbereiche abdecken. Die dem MFPE angehörige Tunesische Agentur für berufliche Bildung (Agence Tunisienne de la Formation Professionnelle, ATFP, Internetauftritt in Arabisch), die 1993 gegründet wurde, verwaltet 138 der insgesamt 214 öffentlichen Ausbildungszentren. Die ATFP kooperiert mit ausländischen Organisationen und Unternehmen und steht hierdurch hinter nahezu jedem in Tunesien durchgeführten Berufsbildungsprojekt (imove (2017), S. 36).

Für die tunesischen Hochschulen ist das Ministerium für Höhere Bildung und Wissenschaftliche Forschung (Ministère de l’Enseignement Supérieur et de la Recherche Scientifique, MSERS) zuständig. Entscheidungen werden nach Beratung mit dem Universitätsrat (Conseil des Universités) getroffen. Der „DAAD-Hochschulreader Tunesien“ informiert zu Profil, Fach- und Studienrichtungen, internationalen Ko-operationen und enthält Kontaktadressen für alle staatlichen Universitäten und die wichtigsten privaten Hochschulen. Unter dem Dach von 13 Universitäten (darunter eine virtuelle Universität) gibt es über 200 eigenständige Institutionen, denn die „Ecoles“, die Institute und die Fakultäten verstehen sich jeweils als eigene Einheiten, die Universität ist die verwaltungstechnische Klammer (Webseite der staatlichen Universitäten mit den zugeordneten Institutionen). Ferner gibt es mehr als 20 Technische Hochschulen (Instituts Supérieur d’Etudes Technologiques, ISETs), deren Ausbildungsangebote einen wissenschaftlich-technologischen Schwerpunkt in angewandten Bereichen (Tourismus, Technik) haben und jeweils ein Praxissemester voraussetzen.

Für ein Studium an staatlichen Einrichtungen fallen für inländische wie für ausländische Studierende grundsätzlich keine Studiengebühren an, lediglich eine Verwaltungsgebühr. Etwa ein Drittel der Studierenden erhält staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt. Daneben operieren in Tunesien über 70 private Hochschulen, die sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit erfreuen, obwohl sie Studiengebühren erheben (siehe DAAD-Bildungssystemanalyse 2023).

Tunesien hat bereits ab 2006 sukzessive das Bologna-System eingeführt, so dass das Studium, ähnlich wie in Deutschland, in drei Abschnitte und Abschlüsse unterteilt ist. Ausnahmen gelten für das Ingenieur- und Medizinstudium. Bachelor- und Master-Abschlüsse werden in zwei Ausprägungen vergeben: akademisch (fondamentale) versus angewandt (appliquée).

  • Licence (al-Ijaza), Dauer drei Jahre;
  • Master (al-Magistir), Dauer zwei Jahre;
  • Doctorat (al-Dukturah), Dauer drei Jahre.

Trotz der jungen Bevölkerung in Tunesien ist die Anzahl der tunesischen Studierenden seit dem Studienjahr 2011/12, als über 360.000 Immatrikulierte verzeichnet waren, deutlich zurück gegangen, zuletzt allerdings wieder angestiegen. Mit etwa 300.000 beträgt sie weniger als ein Zehntel der Anzahl der Studierenden in Ägypten und in Deutschland (siehe Bildungsindikatoren).

Anders als in Ägypten legen die Studierenden in Tunesien einen Schwerpunkt auf die sogenannten MINT-Fächer, was die Beschäftigungsaussichten eigentlich verbessern sollte: Zwar werden die hohen deutschen Werte nicht erreicht, der Anteil von Mathematik, Naturwissenschaften, Statistik und Ingenieurwissenschaften liegt jedoch zusammen genommen über 20 Prozent (siehe Bildungsindikatoren). Dennoch stellt die Arbeitslosigkeit in Tunesien unter Hochschulgraduierten ein großes Problem dar, da die Unternehmen in Tunesien vor allem Personal ohne Hochschulabschluss nachfragen (siehe DAAD-Bildungssystemanalyse 2023).

Anfang 2015 hat die Regierung die Tunesische Strategie für Reformen in Hochschulen und Forschung („Plan stratégique de la réforme de l'enseignement supérieur et de la recherche scientifique 2015–2025“) angenommen, die für die Hochschulen über die nächsten zehn Jahre umfassende Reformen vorsieht. Dazu gehört ein Ausbau der universitären Autonomie, eine stärkere Vernetzung mit der lokalen Wirtschaft und eine bessere Schulung des Lehrpersonals. Primäres Ziel bleibt es, die Beschäftigungsaussichten („employabilité“) der jährlich 30.000 bis 40.000 Hochschulgraduierten zu verbessern. Gerade im Ausland gibt die hohe Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund eines fragilen Demokratisierungsprozesses und irregulärer Migration Anlass zur Sorge. Mit internationaler Unterstützung werden daher an den tunesischen Hochschulen Berufsberatungszentren eingerichtet, Praktika etabliert, Start-Ups gefördert und neue Lehrinhalte eingeführt, um die unternehmerischen Talente der Studierenden zu wecken. Leitbild ist das der „Entrepreneurial University“. Beiträge leisten die Weltbank mit 70 Mio. USD für den Zeitraum von 2016-24 im Rahmen des Projekts „Tunisia Tertiary Education for Employability Project" (TEEP, Bericht zur Implementation (2024), Bezugnahme in Tunesien als „Projet de Modernisation de l’Enseignement Supérieur en Soutien à l’Employabilité“, PromESSE-Tn). Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat ein Programm aufgelegt, das diese Zielsetzungen unterstützt (siehe unter Kooperation mit Deutschland).

 

Forschungs- und Innovationssystem

Mit Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in Höhe von 766 Mio USD (kaufkraftbereinigt) belegte Tunesien im weltweiten Vergleich 2018 etwa Rang 60 (eigene Berechnungen auf der Basis der OECD- und UNESCO-Daten). Die UNESCO stellt allerdings ab 2021 nur noch Daten zu zwei FuE-Indikatoren bereit. Demnach lag die FuE-Intensität, das heißt der Anteil der gesamten FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP), 2019 in Tunesien bei 0,7 Prozent (siehe FuE-Indikatoren).

In Bezug auf die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen liegt Tunesien im weltweiten Vergleich 2023 auf Rang 59. Die Maghreb-Staaten Marokko und Algerien, die 2018 noch hinter Tunesien zurück lagen, platzieren sich inzwischen vor dem Land (Quelle: SCImago. SJR – SCImago Journal & Country Rank. Data retrieved 26 April, 2024, from www.scimagojr.com).

Im Global Innovation Index (GII) 2023, in dem Innovationsleistungen der Länder weitgehend unabhängig von absoluten Größenordnungen bewertet werden, liegt Tunesien im weltweiten Vergleich auf Rang 79 und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 6 Plätze verschlechtert. Innerhalb der Region Nahost-Nordafrika (Middle East and North Africa, MENA, unter Einbeziehung von Türkei und Iran) platziert sich das Land damit an zehnter Stelle. Innerhalb Afrikas liegt Tunesien an vierter Stelle hinter Mauritius (Rang 57), Südafrika (Rang 59) und Marokko (Rang 70).

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Studien zu dem tunesischen Forschungs- und Innovationssystem publiziert, davon drei von der Europäischen Kommission:

Das öffentliche Wissenschaftssystem umfasst 13 staatliche Hochschulen  sowie 38 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (Überblick) (siehe „Technology Transfer Report Tunisia 2019-2020“, S. 8). Zuständig für alle forschenden Hochschulen und einige außeruniversitäre Einrichtungen ist das Ministerium für Hochschulen und wissenschaftliche Forschung (MESRS). Die Ausgaben für FuE an außeruniversitären Einrichtungen lagen 2014 (neuere Daten sind nicht verfügbar) mit einem Anteil von 50 Prozent an den gesamten FuE-Ausgaben über denen an Hochschulen, die einen Anteil von 31 Prozent hatten (siehe archivierte FuE-Indikatorentabelle).

Die großen regionalen Entwicklungsunterschiede innerhalb von Tunesien spiegeln sich auch in dem Hochschul-, Forschungs- und Innovationssystem wider. Städte wie Tunis, Sousse, Monastir und Sfax und die dort angesiedelten Universitäten sind sämtlich im Osten des Landes beheimatet. Etwa die Hälfte der Forschungsstrukturen ist im Großraum Tunis konzentriert und weitere 30-40 Prozent im Sahel-Gebiet („Tunisia Background Report 2018”, S. 31).

Hochschulrankings können Anhaltspunkte für Forschungs- und Innovationsstärke einzelner Hochschulen bieten. Die fünf bestplatzierten tunesischen Hochschulen sind demnach 1. Université de Manouba,  2. Université de Sfax, 3. Université de Monastir, 4. Université de Sousse sowie 5. Université de Carthage (Times Higher Education - World University Ranking 2024 “Research Quality”).

Von den insgesamt 38 außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind die folgenden dem Forschungsministerium MSERS unterstellt: das 1983 gegründete Zentrum für Biotechnologie Sfax (Centre de Biotechnologies de Sfax, CBS), das 1993 gegründete Nationale Zentrum für Nuklearwissenschaft und -technologien (Centre National des Sciences & Technologies Nucléaires, CNSTN), das 1995 gegründete Nationale Institut für physikalisch-chemische Analysen (Institut National de Recherche et d‘Analyse Physico-chimique, INRAP) sowie das 2005 gegründete Forschungs- und Studienzentrum zum Dialog zwischen den Zivilisationen und Religionen (Centre de Recherches et des Etudes pour le Dialogue des Civilisations et des Religions Comparées, CEREDIREC, Internetauftritt in Arabisch).

Dem MESRS sind weiterhin vier außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die in den Jahren 2005/6 als Teil des neuen Technologieparks Borj-Cédria  gegründet wurden, zugeordnet (siehe unten). Einige außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind den Fachministerien unterstellt:

  • Dem Gesundheitsministerium zugeordnet sind das 1893 gegründete Pasteur-Institut in Tunis (Institut Pasteur de Tunis, IPT) und das Nationale Institut für Ernährung und Lebensmitteltechnik (Institut National de Nutrition et de Technologie Alimentaire, INNTA).  
  • Dem Agrarministerium zugeordnet sind das 1914 gegründete Nationale Institut für Agrarforschung (Institut National de la Recherche Agronomique de Tunisie, INRAT), das 1924 gegründete Nationale Institut für Meereswissenschaft und Meerestechnologie (Institut National des Sciences et Technologies de la Mer, INSTM), das 1976 gegründete Institut für Aride Regionen (Institut des Régions Arides de médenine, IRA) sowie das 1996 gegründete Nationale Forschungsinstitut für Landbau, Wasser und Wald (Institut National de Recherche en Génie Rural, Eaux et Forêts, INRGREF).
  • Dem Kulturministerium zugeordnet ist das 1957 gegründete Nationale Institut für das Kulturerbe (Institut National du Patrimoine, INP).
  • Dem Ministerium für Investitionsentwicklung und Internationale Kooperation zugeordnet ist das 1973 gegründete Tunesische Institut für Wettbewerbsfähigkeit und Statistische Analysen (Institut Tunisien de la Compétitivité et des Etudes Quantitatives, ITCEQ).
  • Dem Ministerium für Kommunikationstechnologie zugeordnet ist das 1988 gegründete Studien- und Forschungszentrum für Telekommunikation (Centre d’Etudes & de Recherche en Télécommunications, CERT).
  • Dem Umweltministerium zugeordnet ist das 1993 gegründete Internationale Zentrum für Umwelttechnologien in Tunis (Centre International des Technologies de l’Environnement de Tunis, CITET).
  • Das ebenfalls 1993 gegründete Tunesische Institut für Strategische Studien (Institut Tunisien des Etudes Stratégiques, ITES) ist direkt dem tunesischen Staatsoberhaupt zugeordnet.

Zu den Wirtschaftssektoren und -branchen, in denen Unternehmen in Tunesien FuE betreiben, gibt es keine gesicherten Daten. In der tunesischen Wirtschaft stellen besonders die Nahrungsmittelindustrie, die Textilindustrie und die Industrie für mechanische und elektrische Fertigung wichtige Standbeine dar. Diese Branchen gelten nicht als innovationsfreudig. Zudem dominieren kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die nicht die Ressourcen haben, FuE durchzuführen oder zu finanzieren. Dies gilt natürlich umso mehr für Mikrounternehmen mit weniger als 5 Angestellten, die in Tunesien weit verbreitet sind.

Eine große öffentlich finanzierte Industrieforschungseinrichtung, die ähnlich wie Fraunhofer darauf ausgerichtet ist, Kooperations- und Auftragsforschung für Unternehmen zu betreiben, gibt es in Tunesien bisher nicht. Unter der Aufsicht des Ministeriums für Industrie sowie Kleine und Mittlere Unternehmen (Ministère de l’Industrie et des PMEs, MI) versucht ein Zentrum für Innovation und technologische Entwicklung (Centre d’innovation et de développement technologique, CIDT), die tunesischen Unternehmen mit Hilfe von Evaluierung und Beratung für Innovation zu begeistern. Die Technischen Zentren legen den Fokus eher auf die sektorenspezifische technische Beratung von Unternehmen als auf Forschung und Innovation.

Seit 2002 hat die tunesische Regierung eine Reihe von Technologieparks im Land aufgebaut (Überblick Verband Tunisia Technoparks). Die damit verbundenen Erwartungen waren ursprünglich hoch: Die Einrichtungen sollten innovative und hochqualitative Produkte für einheimische und auswärtige Märkte entwickeln, Perspektiven für den akademischen Arbeitsmarkt schaffen, Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor fördern und Investitionsanreize für ausländisches Kapital kreieren.

Einen Schwerpunkt auf FuE legt seit 2005 das Technopôle Borj Cédria mit insgesamt vier neuen außeruniversitären Forschungseinrichtungen: das Zentrum für grüne Biotechnologie (Centre de Biotechnologies de Borj-Cédria, CBBC), das Zentrum für Energieforschung  und -technik (Centre de Recherche et des Technologies de l’Energie, CRTEN) sowie das Zentrum für Wasserforschung und -technik (Centre de Recherche & des Technologies des Eaux, CERTE). Das Nationale Zentrum für Materialwissenschaften (Centre National de Recherches en Sciences des Matériaux, CNRSM) kam 2006 dazu. Diese außeruniversitären Zentren, insbesondere das CBBC gehören heute zu den publikationsstärksten in Tunesien (Europ. Kommission (2018), S. 32). Zusätzlich wurden wie in anderen Technologieparks Hochschuleinrichtungen integriert. Das Ziel einer verbesserten öffentlich-privaten Interaktion konnte die Technologieparks jedoch bisher nicht erreichen. Mit Ausnahme des Technologieparks Elgazala (Pôle Elgazala des Technologies de la Communication) gibt es in den tunesischen Parks kaum Investitionen privater Unternehmen (siehe zu den Technologieparks die Zusammenfassung und Bewertung in der Tunesischen Industrie- und Innovationsstrategie „Horizont 2035“, S. 128 ff.).

Für FuE sowie Innovation gibt es in Tunesien zahlreiche Förderprogramme, die sich vor allem an Unternehmen wenden. Diese werden durch das Ministerium für Industrie, Bergbau und Energie (MI) bzw. die 1972 gegründete Agentur für Industrie und Innovation (Agence de Promotion de l’Industrie et de l’Innovation, API) administriert.

Seit 2008 unterstützt die Nationale Agentur für Forschungsförderung (Agence Nationale de la Promotion de le Recherche Scientifique, ANPR) das Forschungsministerium MESRS. Von dem Budget des Ministeriums wurden laut einer Bestandsaufnahme von 2018 40 Prozent für wettbewerbliche FuE-Förderung und 60 Prozent für institutionelle Finanzierung eingesetzt. Den Löwenanteil der wettbewerblichen Mittel vergab das MESRS unter einem Programm zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses („Programme d’Encouragement des Jeunes Chercheurs", PEJC (Ausschreibung 2024)) die Mittel unter anderen Programmen sind sehr limitiert („Tunisia Background Report 2018”, S. 57).

Einen Beitrag zur Etablierung einer Wissenschafts- und Innovationskultur in Tunesien leisten die zahlreichen Verbände und Fachgesellschaften, beispielsweise die Association Jeunes-Sciences de Tunisie (AJST) und die Association Tunisienne des Sciences Biologiques (ATSB).

Zu den Stärken des tunesischen Forschungs- und Innovationssystem gehören nach den eingangs erwähnten Studien eine gut entwickelte staatliche Forschungsinfrastruktur und eine hohe Rate an wissenschaftlichen Publikationen. Zu den Stärken des tunesischen Forschungs- und Innovationssystem gehören nach den eingangs erwähnten Studien eine gut entwickelte staatliche Forschungsinfrastruktur und eine relativ hohe Rate an wissenschaftlichen Publikationen. Zu den Schwächen zählt die mangelnde Fähigkeit des Systems, private Unternehmen zu Innovationen anzuregen sowie Akteure aus dem öffentlichen und privaten Sektor zu verbinden (Tunesischen Industrie- und Innovationsstrategie „Horizont 2035“, S. 110; „Technology Transfer Report Tunisia 2019-2020“, S. 15).

In Bezug auf die Formulierung der tunesischen Forschungspolitik sieht der gesetzliche Rahmen eigentlich eine Vielzahl von politischen Steuerungs- und Beratungsgremien vor, die jedoch seit der tunesischen Revolution 2011 weitgehend inaktiv sind (siehe Europ. Kommission (2018), S. 40). Eine umfassende Strategie für Forschung und Innovation in Tunesien fehlt bisher, auch gibt es bisher kaum Mechanismen für die Koordination zwischen den Ministerien (siehe Tunesische Industrie- und Innovationsstrategie „Horizont 2035“, S. 109).

Die 2015 angenommene Strategie für Reformen in Hochschulen und Forschung (siehe vorheriger Abschnitt) setzt darauf, an Hochschulen das Einwerben und das Management von Drittmitteln aus internationalen Quellen, regionaler Wirtschaftsförderung und dem Privatsektor zu stärken. Im August 2017 publizierte das Forschungsministerium MESRS eine Forschungsstrategie in arabischer, englischer und französischer Sprache („Tunisie - Recherche scientifique (2017-2022): Priorités, orientations futures et initiatives clés" bzw. „Tunisia - Scientific Research: Priorities, Future Directions and Key Initiatives (2017-22)"). Zu den über 20 strategischen Zielsetzungen (SOs) zählen (siehe für eine Zusammenfassung „Tunisia Background Report 2018”, S. 46 ff.):

  • Schaffung eines transparenten wettbewerblich ausgerichteten Forschungsfördersystems, das sich an nationalen Prioritäten orientiert (SO4);
  • Steigerung des Anteils der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 1 Prozent bis 2022 (SO5);  
  • Etablierung von Forschungsexzellenzzentren und Aufbau der Forschungskapazitäten (SO6);
  • Insgesamt sollen der Unternehmenssektor und auch die privaten Hochschulen in der Forschung aktiver werden (SO20). Viel Wert wird auf eine bessere Verbindung der Forschungsstrukturen mit ihrem sozio-ökonomischen Umfeld gelegt (SO19). Auch der wissenschaftliche Nachwuchs soll mobiler werden, das heißt auch praktische Berufserfahrungen außerhalb des öffentlichen Forschungssektors anstreben (SO17);
  • Die Steuerung der Technologieparks und die Ergänzung fehlender Elemente soll verbessert werden (SO16).

In Bezug auf fachliche Schwerpunkte war 2018 ein zentraler Aspekt die Konsensbildung zu nationalen Prioritäten, auf die Aktivitäten und Ressourcen ausgerichtet werden sollten (SO2). Auch die diversifizierten internationalen Aktivitäten sollen sich an diesen Prioritäten orientieren (SO3).  Zwischen November 2016 und Mai 2017 wurden im Rahmen eines nationalen Konsultationsprozesses folgende prioritäre Forschungsgebiete für Tunesien identifiziert:

  • Wasser, Energie und Lebensmittelsicherheit;
  • Demokratische Gesellschaft im Aufbau: Bildung, Kultur und Jugend;
  • Hochwertige Gesundheitsfürsorge;
  • Digitaler und Industrieller Wandel;
  • Steuerung und Dezentralisierung;
  • Kreislaufwirtschaft.

Bei der Entwicklung einer Smart Specialisation Strategie für Tunesien wurden diese Prioritäten als zu breit eingeschätzt. Die Befragung von Stakeholdern führte zur Benennung einiger geeigneter Sektoren in Tunesien, darunter Energie, digitale Technologie und Nahrungsmittel. Die Informationsbasis für die Entwicklung einer geeigneten tunesischen Strategie wurde jedoch insgesamt als zu klein eingeschätzt („Smart Specialisation Report Tunisia 2024“, S. 44).

Indikatoren für Bildung

Tabelle 3: Bildungsindikatoren
Quelle: UNESCO Institute of Statistics, Stand September 2023
"OECD - PISA 2015: Ergebnisse im Fokus"
* UNESCO registriert nur diejenigen internationalen Studierenden, bei denen aufgrund der Aufenthaltsdauer davon auszugehen ist, dass sie einen Abschluss im Ausland anstreben.
** UNESCO registriert nur diejenigen internationalen Studierenden, bei denen aufgrund der Aufenthaltsdauer davon auszugehen ist, dass sie einen Abschluss in dem jeweiligen Land anstreben.

Indikator

Tunesien

Deutschland

Stand

Anteil öffentlicher Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) [Prozent]

6,22

4,53

2015/21

Anteil internationaler abschlussorientierter Studierender aus dem Land [Prozent]*

9,77

3,77

2021

Anzahl Studierender im Tertiärbereich insgesamt [Mio.]

0,299

3,352

2022/21

Anteil internationaler abschlussorientierter Studierender im Land [Prozent]**

2,89

11,23

2022/21

Anzahl Promovierender insgesamt

9.478

192.270

2022/21

Anteil an neuen Studienabschlüssen in Mathematik, Statistik und Naturwissenschaften [Prozent]

6,64

7,96

2022/21

Anteil an neuen Studienabschlüssen in Ingenieurswissenschaften, Fertigung und Konstruktion [Prozent]

17,58

22,13

2022/21

PISA-Ergebnisse: Lesen [Punktzahl (Platzierung)]

361 (65)

509 (12)

2015

PISA-Ergebnisse: Naturwissenschaften [Punktzahl (Platzierung)]

386 (66)

509 (16)

2015

PISA-Ergebnisse: Mathematik [Punktzahl (Platzierung)]

367 (67)

506 (16)

2015

       

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Weitere Informationen

FuE-Indikatoren

Tabelle 4: Indikatoren zu Forschung und Entwicklung (FuE)
Quellen:
(1) UNESCO Institute of Statistics (UIS), Stand Februar 2024
(2) OECD.Stat Patents Statistics, Stand Oktober 2023

Indikator

Tunesien

Deutschland

OECD-Gesamt

Stand

FuE-Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) [Prozent](1)

0,7

3,1

3,0

2019/21/21

Anzahl der Forschenden (VZÄ) je Million Einwohner-/innen(1)

1.672

5.536

4.079

2022/21/20

Anteil internationaler Ko-Patente an Patentanmeldungen unter dem Vertrag über Patentzusammenarbeit (PCT) [Prozent](2)

40,0

19,3

8,2

2020

         

Indikatoren Stand März 2021 (Archiv)

Quellen: (1) UNESCO Institute of Statistics (UIS), Stand März 2021
Hinweis: Das UIS stellt seitdem nur sehr eingeschränkt aktuelle FuE-Indikatoren zur Verfügung.
(2) OECD.Stat Main Science and Technology Indicators MSTI 2020/2, Stand März 2021
* in laufenden Preisen, kaufkraftbereinigt

Indikator

Tunesien(1)

Deutschland(2)

OECD-Gesamt(2)

Stand

Nationale FuE-Ausgaben [Mio. USD*]

766

147.502

1.560.968

2018/19/19

FuE-Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) [Prozent]

0,6

3,2

2,5

2018/19/19

Ausgaben für FuE in Unternehmen (BERD) [Mio. USD*]

140

101.747

1.112.817

2014/19/19

Anteil von BERD am BIP [Prozent]

0,1

2,2

1,8

2014/19/19

Ausgaben für FuE in Hochschulen (HERD) [Mio. USD*]

234

25.528

258.395

2014/19/19

Anteil von HERD am BIP [Prozent]

0,2

0,6

0,4

2014/19/19

Ausgaben für FuE in außeruniversitären öffentlichen Forschungseinrichtungen (GOVERD) [Mio. USD*]

382

20.227

151.334

2014/19/19

Anteil von GOVERD am BIP [Prozent]

0,3

0,4

0,2

2014/19/19

Anzahl der Forschenden (Vollzeitäquivalente)

20.489

449.464

5.347.423

2018/19/18

Anzahl der Forschenden (VZÄ) je 1000 Beschäftigte

6,0

9,9

8,9

2018/19/18

Anteil der Forschenden (VZÄ) in privaten Unternehmen [Prozent]

5,2

60,7

63,6

2018/19/18

         

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Bibliometrie

Die Verteilung der Publikationen auf Fachgebiete kann erste Hinweise auf die Stärken eines Forschungssystems geben (Bezugsjahr 2016, (Quelle: SCImago (2007). SJR – SCImago Journal & Country Rank. Retrieved August 8, 2017, from http://www.scimagojr.com).

Weltweit ist Medizin das Fachgebiet mit den meisten Publikationen (Welt: 15,9 Prozent sowie Deutschland 16,7 Prozent), gefolgt von den Ingenieurwissenschaften. Dies war bis vor einigen Jahren auch noch die Rangfolge in Tunesien. Seitdem haben sich dort jedoch die stetig wachsenden Computerwissenschaften (Informatik) mit 15,7 Prozent auf den ersten Rang geschoben (s. unten). In Tunesien folgen Ingenieurwissenschaften (14,5 Prozent) und Medizin (9,7 Prozent) erst dahinter.

Eine Spezialisierung Tunesiens ist in folgenden Fachgebieten festzustellen (Auswahl basierend auf Spezialisierungsindex Länderanteil/Weltanteil ≥ 1,3):

  • Computerwissenschaften (Informatik) (15,7 Prozent, Welt: 7,2  Prozent, Deutschland: 7 Prozent)
  • Ingenieurwissenschaften (14,5 Prozent, Welt: 10,9 Prozent, Deutschland 9,3 Prozent)
  • Mathematik (9,7 Prozent, Welt: 4,3 Prozent, Deutschland: 4,6 Prozent)
  • Energie (3,2 Prozent, Welt: 2,2 Prozent, Deutschland: 1,6 Prozent).

Bei einem weltweiten Vergleich der Anzahl der Publikationen liegt Tunesien im Jahr 2016 insgesamt auf Rang 50. Innerhalb der einzelnen Fachgebiete erreicht Tunesien die beste Platzierung in Informatik (Rang 37).

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2.2 Überblick zur internationalen Kooperation

Das Ministerium für Höhere Bildung und Wissenschaftliche Forschung (MSERS) ist auch für den Abschluss von bilateralen Regierungsabkommen zuständig, die Hochschulbildung, Mobilität, Kultur, Forschung, Innovation und Technologie abdecken können. Ende 2015 bestanden 44 solcher Abkommen, davon 17 mit arabischen Ländern, 15 mit europäischen Ländern, 8 mit asiatischen Ländern und 4 mit amerikanischen Ländern. Eine Reihe von tunesischen Hochschulen hat zudem Vereinbarung mit Hochschulen im Ausland zu Studiengängen mit Doppelabschluss getroffen (Europ. Kommission: Hochschulbericht Tunesien 2017, S. 25 f.). 2017 veröffentlichte das MESRS eine Strategie zur internationalen Kooperation in Hochschulbildung und Forschung, das vier strategische Ziele festlegt („Tunisia Background Report 2018”, S. 45). Danach strebt Tunesien an

  • die bestehenden Kooperationen mit den arabischen und europäischen Ländern auszubauen;
  • neue Innovationspartnerschaften mit Asien einzugehen;
  • das Land als Hochschul- und Forschungsstandort in Afrika zu vermarkten;
  • die internationale Mobilität von tunesischen Studierenden und Forschenden zu fördern und abgewanderte Fachkräfte als Botschafterinnen und Botschafter Tunesiens einzusetzen.

Die tunesischen Studierenden sind bereits heute überdurchschnittlich international orientiert. 9,3 Prozent strebten 2020 einen Abschluss im Ausland an (zum Vergleich: Deutschland 4 Prozent, OECD-Durchschnitt 2 Prozent). Dagegen ist Tunesien bisher kein sonderlich attraktives Zielland. Der Anteil der ausländischen Studierenden liegt derzeit nur knapp über 3 Prozent (zum Vergleich: Deutschland: 11,2 Prozent, OECD-Durchschnitt 6 Prozent, siehe Bildungsindikatoren). 

Die wichtigsten Herkunftsländer für internationale Studierende in Tunesien liegen bisher ausnahmslos im frankophonen Afrika, es sind die Demokratische Republik Kongo, Kamerun, Gabun, Mauretanien und das Nachbarland Algerien. Bei den beliebtesten Zielländern liegt Frankreich an der Spitze, gefolgt mit weitem Abstand von Deutschland, Kanada, Russland und Rumänien. Die arabischen Länder Marokko und Katar belegen Rang 12 und 16 (Quelle: UNESCO Institute of Statistics Global Flow of Tertiary-Level Students, erfasst werden nur diejenigen Studierenden, die einen Abschluss im Ausland anstreben. Zu China als Zielland fehlen Daten).

Anders als Ägypten hatte Tunesien bisher nur sehr vereinzelt ausländische Hochschulen bzw. deren Zweigstellen im Land zugelassen (in 2009 zwei Campusse französischer Universitäten, 2015 die American University in North of Africa). Anfang 2019 wurde im Rahmen eines Staatsbesuchs des damaligen tunesischen Regierungschefs Chahed in Frankreich eine Übereinkunft über ein Flaggschiffprojekt, die neue Französisch-Tunesische Universität für Afrika und den Mittelmeerraum (Université franco-tunisienne pour l'Afrique et la Méditerranée, UFTAM) unterzeichnet. Die UFTAM wird von einem Konsortium aus staatlichen französischen und tunesischen Hochschulen getragen und zunächst südlich von Tunis angesiedelt. Angesichts des Rückgangs der eigenen Studierendenzahlen setzt Tunesien auf einen höheren Anteil ausländischer Studierender, der bis 2020 auf 10 Prozent gesteigert werden soll. Im Blickfeld sind dabei vor allem Studierende aus Subsahara-Afrika. 

Tunesien ist eines von bisher zwölf afrikanischen Ländern, die als Mitglieder der „G20-Compact-with-Africa-Initiative" (Webseite Tunesien) von verbesserten Kooperations- und Fördermöglichkeiten profitieren, z.B. zu erneuerbaren Energien und zu beruflicher Aus- und Weiterbildung (siehe Überblick zur Kooperation mit Deutschland). Die Initiative, die 2017 unter der deutschen G20-Präsidentschaft initiiert wurde, bringt mit Unterstützung der Weltbankgruppe, des Internationalen Währungsfonds und der Afrikanischen Entwicklungsbank die G20-Mitglieder und Länder in Afrika zusammen, um bessere Rahmenbedingungen und Anreize für private Investitionen zu schaffen.

Zu den Staaten, die Tunesien bilateral bei dem Aufbau eines nationalen Forschungs- und Innovationssystem bilateral unterstützen, gehören neben Frankreich vor allem Südkorea, Japan und Deutschland (siehe nächster Abschnitt). Unter den Regierungsabkommen des MSERS wird auch die bilaterale wissenschaftliche Kooperation gepflegt. Tunesische Partnerländer in bilateralen Projekten sind laut dem Jahrbuch des MSERS: Marokko, Frankreich, Deutschland, Indien, Südkorea und Südafrika (Annuaire de Structures et Projects de Recherche 2017-18, S. 104 ff.).

Der Anteil der internationalen Ko-Publikationen an der Gesamtzahl der wissenschaftlichen Publikationen war in Tunesien zwischen 1996 und 2008 mit etwa 40 Prozent bereits recht hoch. Seit 2008 ist ein stetiger und zuletzt steiler Anstieg zu verzeichnen, so dass Tunesien 2023 einen Anteil von 60,9 Prozent erreichte. Zum Vergleich: In Deutschland hat die internationale Ko-Publikationsrate in dem Zeitraum von 1996-2023 von 30,8 auf 53,3 Prozent zugenommen (Quelle: SCImago. SJR — SCImago Journal & Country Rank. Retrieved Retrieved April 25, 2024, from www.scimagojr.com).

Unter den fünf wichtigsten tunesischen Ko-Publikationsländern liegt Frankreich noch an der Spitze, obwohl die Anzahl der Ko-Publikationen deutlich abgenommen hat. Dahinter folgen Saudi-Arabien, Italien, Spanien und die USA. Deutschland belegt Rang 8, China Rang 12 (Quelle: SciVal® database, Elsevier B.V., www.scival.com, downloaded on January 2, 2023).

Neben einzelnen Ländern unterstützen auch eine Reihe von internationalen Organisationen, in denen Tunesien Mitglied ist, das Land bei dem Aufbau seines Bildungs-, Forschungs- und Innovationssytems. Dazu gehören die Weltbank, die Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Westasien (ESCWA), sowie die Unterorganisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), die mit Tunesien über das Regionalbüro in Kairo und das UNESCO-Clusterbüro Maghreb in Rabat (Marokko) in Verbindung steht.

  • Als Mitglied der Arabischen Liga beherbergt Tunesien den Hauptsitz der Unterorganisation zu Bildung, Kultur und Wissenschaften in Tunis (Arab League Educational, Cultural and Scientific Organization, ALECSO). Das ebenfalls mit der Arabischen Liga verbundene Regionale Zentrum für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (RCREEE) unterstützt Tunesien und andere arabische Länder dabei, den Anteil der erneuerbaren Energien zu steigern.
  • Weiterhin ist Tunesien Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit OIC und ihrer Unterorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur ICESCO, deren Hauptsitz sich in Rabat in Marokko befindet.
  • Als Mitgliedsland der Afrikanischen Union (AU) hat sich Tunesien zur Umsetzung der Agenda 2063 sowie der Science, Technology and Innovation (STI) Strategy for Africa (STISA-2024) verpflichtet.

Kooperation mit der Europäischen Union

2004 trat ein Abkommen in Kraft, das Tunesien im Vorjahr mit der Europäischen Union (EU) zur Kooperation in Wissenschaft und Technologie unterzeichnet hatte. Informationen können auf der Webseite der EU zur Zusammenarbeit mit Tunesien im Bereich Forschung und Innovation abgerufen worden. Für die EU stand zunächst die Überlegung im Vordergrund, Tunesien bei dem Aufbau eines modernen Forschungs- und Innovationssystems zu unterstützen. Im Rahmen des Programms PASRI („Projet d'Appui au Système de Recherche et de l'Innovation“) investierte die EU im Zeitraum von 2011-15 insgesamt 12 Mio. Euro, unter anderem für ein Förderprogramm, unter dem tunesische Promovierende in Unternehmen entsandt werden („Mobidoc“).

Als assoziiertes Land kann sich Tunesien in allen Programmen unter dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont Europa (2021-27) beteiligen. Auch mit dem Vorgängerprogramm Horizont 2020 (2014-20) war Tunesien seit Januar 2016 als erstes und einziges afrikanisches und arabisches Land assoziiert. Bis Januar 2024 warb Tunesien unter Horizont Europa europäische Fördergelder in Höhe von 9,3 Millionen Euro ein. Unter den insgesamt 37 Projekten, an denen sich Tunesien beteiligte, wiesen mit 26 Projekten mehr als zwei Drittel auch eine deutsche Teilnahme auf (Quelle: eCORDA-Vertragsdatenbank).

Andere Varianten europäisch-tunesischer Kooperation setzen nicht auf eine tunesische Beteiligung an Projekten unter dem Rahmenprogramm der EU, sondern auf die Verbindung von nationalen und europäischen Fördertöpfen im Rahmen von themenbezogenen Public-Public Partnerships (P2Ps), um gemeinsame Projekte zu finanzieren. So beteiligte sich Tunesien zum Beispiel intensiv an Förderbekanntmachungen des Netzwerks ERANETMED, das im März 2018 beendet wurde. Derzeit nimmt Tunesien an der gemeinsamen Programminitiative zu Wasser und dem damit verbundenen ERA-NET Water Works teil (Übersicht ERA-LEARN Plattform). Tunesien beteiligt sich ebenfalls an der langfristig angelegten neuen Partnerschaft für Forschung und Innovation im Mittelmeerraum (Partnership for Research and Innovation in the Mediterranean Area, PRIMA). Unter PRIMA haben sich 19 Länder der EU und des südlichen und östlichen Mittelmeerraumes zusammengeschlossen, um innovative Lösungen für zwei der größten Herausforderungen der Region zu finden: effiziente und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und Wasserversorgung. Dafür ist PRIMA über die Laufzeit von 10 Jahren (2018-28) mit Fördermitteln von knapp 500 Millionen EUR ausgestattet, die von den beteiligten Mitgliedstaaten und der Europäischen Union zur Verfügung gestellt werden. Im Februar sowie im Dezember 2018 wurden die ersten beiden Förderbekanntmachungen veröffentlicht.

Unter dem Rahmenprogramm Horizont Europa wird auch die sogenannte „Mediterranean Initiative“ durchgeführt, die für die Jahre 2023-24 mit 320 Millionen Euro ausgestattet ist. Fachlich liegen die Schwerpunkte auf den Gebieten Gesundheit, Klimawandel und Erneuerbare Energien. Wegweisend dazu sind die 2021 von der Mittelmeerunion beschlossenen Roadmaps für Forschung und Innovation.

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2.3 Überblick zur Kooperation mit Deutschland

Für Tunesien hat die Zusammenarbeit mit Deutschland in Bildung und Forschung einen hohen Stellenwert. Als Zielland für tunesische Studierende platziert sich Deutschland unter den Top 5, als Ko-Publikationsland unter den Top 10 (siehe vorheriger Abschnitt).

Grundlage für die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit (WTZ) mit Tunesien ist das seit 1998 geltende Memorandum of Understanding (MoU). Mit Deutschland erstreckt sich die Zusammenarbeit über die Bereiche (Aus-)Bildung und Hochschulstudium u.a. mit Fokus auf Beschäftigungsfähigkeit und Entrepreneurship sowie Wissenschaft, Forschung und Innovation.

Das Kernstück der bilateralen Aktivitäten mit Tunesien bildet die Förderung von angewandten Forschungsprojekten unter Beteiligung von Wissenschaft und Wirtschaft (2+2 Projektansatz) mit fachlichen Schwerpunkten in den Bereichen Bio- und Umwelttechnologie, Erneuerbare Energien, Ressourceneffizienz, Pharmaindustrie, Mechatronik, Kreislaufwirtschaft. Konkret sollen hier FuE-Projekte mit Beteiligung mindestens eines deutschen (insbesondere KMU) und eines tunesischen forschenden Industriepartners sowie mindestens einer deutschen und einer tunesischen Forschungseinrichtung umgesetzt werden. Übergeordnete Ziele sind hier ein verstärktes Engagement im Bereich Technologietransfer und die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. Im Rahmen der beiden Förderrichtlinien TUNGER 2+2 (2018, 2020) wurden insgesamt neun Verbundvorhaben in der Laufzeit 2018/19 - 2025 bewilligt. Eine dritte Förderrichtlinie im 2+2-Format wurde im März 2023 veröffentlicht; die nächste Förderrunde ist bis 2026/27 geplant.

Ziel der spezifisch regional ausgerichteten Richtlinie INNO-MENA zur Förderung von Vorhaben zur Stärkung der innovationsrelevanten Rahmenbedingungen und angewandten Forschung in MENA-Ländern von 2017 war es, über den Aufbau und die Ausrichtung von intermediären Strukturen auf Forschung und Innovation, wie etwa Verbände, Kammern, Transfernetzwerke sowie Technologie- und Gründerzentren die relevaten Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation in den nordafrikanischen und nahöstlichen Ländern Tunesien, Ägypten, Jordanien und Marokko zu stärken. In der einjährigen Vorphase (2018-2019) wurden drei Vorhaben mit tunesischer Beteiligung gefördert. Von diesen konnten sich zwei Verbünde für die Förderung der anschließenden dreijährigen Hauptphase (2021-2024) qualifizieren. Zudem stellt das BMBF im Rahmen der Förderbekanntmachung „CLIENT II-Internationale Partnerschaften für nachhaltige Innovationen“ in den Themenbereichen Klimaschutz/Energieeffizienz, Anpassung an den Klimawandel, Landmanagement Mittel für Mobilitätsmaßnahmen und Forschungsprojekte in Kooperation mit jordanischen Einrichtungen bereit.

Neben der bilateralen Zusammenarbeit kooperieren Deutschland und Tunesien auch im Rahmen von EU-Projekten. Beide Länder arbeiten intensiv bei der Implementierung von Projekten in der PRIMA (Partnership for Research and Innovation in the Mediterranean Area)-Initiative zusammen. Thematische Schwerpunkte sind dabei Nahrungsmittelsicherheit, Wasser und Landwirtschaftssysteme. Verfolgt wird das Ziel, durch Forschung und Innovation die Herausforderungen des Mittelmeerraums in Bezug auf Agrar- und Ernährungssysteme und Wassermangel wirksam zu bewältigen. Im Zeitraum 2019 bis 2025 werden insgesamt 31 multilaterale Projekte mit deutscher und tunesischer Beteiligung durch das BMBF mit einem Fördervolumen von rund 7 Mio. Euro gefördert.

Die Aktivitäten und Forschungsvorhaben des vom BMBF geförderten Exzellenznetzwerkes Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA) an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sind grundsätzlich arabisch-deutsch mit transregionalem Ansatz, der dezidiert arabisch-deutsche und arabisch-arabisch-deutsche Kooperationen fördert. In sechs Arbeitsgruppen (Energie, Wasser und Umwelt; Bildung; Transformation; Kulturelles Erbe; Gesundheit und Gesellschaft; Forschung und Innovation) werden vor allem interdisziplinäre Forschungsprojekte durchgeführt. Derzeit arbeiten sieben  tunesische Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler im AGYA-Netzwerk überregional in interdisziplinären Forschungsprojekten zusammen.

Die „Maria Sibylla Merian Centres for Advanced Studies“ sind internationale Forschungskollegs für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, die vom BMBF finanziert werden. Für den Maghreb hatte ein deutsch-tunesisches Konsortium die Ausschreibung gewonnen (siehe unten).

Weitere Einzel- und Verbundprojekte im Rahmen von multilateralen Förderbekanntmachungen liegen in der Verantwortung der Fachabteilungen des BMBF (Informations- und Kommunikationstechnologien, Bioökonomie). (Überblick zu bilateralen und multilateralen Projekten mit einer Förderung des BMBF).

Der Hochschulkompass verzeichnet insgesamt 72 bilaterale Kooperationen zwischen 41 deutschen Hochschulen sowie 22 tunesischen Hochschulen und 5 sonstigen Einrichtungen (Stand 08/2023).  Der „DAAD-Hochschulreader Tunesien“ informiert zu Profil, Fach- und Studienrichtungen sowie Kooperationen mit Deutschland. Unter der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft hatte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) zwischen 2012 und 2017 mit Tunesien 8 Hochschulkooperationen und 8 Forschungspartnerschaften (Al Tawasul) sowie ca. 100 kurz- oder mittelfristige Projektmaßnahmen gefördert. Ab 2019 wurden unter dem DAAD-Hochschulprogramm „Entrepreneurial Universities in Africa“ (EpU) Partnerschaftsprojekte zwischen deutschen und tunesischen Universitäten gefördert. Ziel ist dabei letztlich die Verbesserung der Beschäftigungsaussichten der tunesischen Hochschulgraduierten (siehe unter Bildungssystem).

Mit dem Programm „Ta’ziz Partnerschaft" fördert der DAAD die akademische Zusammenarbeit zwischen deutschen Hochschulen und Partnern in ausgewählten Ländern im Nahen und Osten sowie Nordafrika (MENA). Insgesamt stehen zwischen 2023 und 2025 rund 15 Millionen EUR aus Mitteln des Auswärtigen Amts zur Verfügung. Der arabische Begriff Ta’ziz (تعزيز) bedeutet "Stärkung" oder "Festigung". Gefördert werden Hochschulprojekte, die Reformbestrebungen an Hochschulen in Partnerländern der MENA-Region unterstützen. Das Programm legt besonderen Wert auf die Beteiligung von Frauen und außeruniversitären Partnern aus der Zivilgesellschaft und Wirtschaft, um den Wissenstransfer mit den Hochschulen zu stärken.

Die internationale Mobilität von und nach Tunesien wird durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) gefördert. Das ERASMUS Plus-Programm fördert Mobilität in beide Richtungen, auch wenn die Zahlen hier noch gering sind. 2022 (in Klammern die Zahlen für 2019 Pre-Covid) hat der DAAD unter eigenen Programmen Förderung für einen Aufenthalt in Tunesien an 43 (130) Studierende und Graduierte (inkl. Promovierende, Statusgruppen I-III) und 37 (89) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Hochschullehrkräfte (inkl. Post-Docs, Statusgruppe IV) aus Deutschland vergeben. In den gleichen Kategorien erhielten 528 (532) und 288 (232) Geförderte aus Tunesien eine Unterstützung des DAAD, um eine Aktivität im eigenen Land oder einen Auslandsaufenthalt – darunter auch Deutschlandaufenthalte – zu finanzieren.

2022 beherbergte die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) 11 tunesische Nachwuchs- und Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und sie führte 4 Projekte mit Partnern in Tunesien durch.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH kooperiert mit Tunesien im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), anderer Ressorts und der EU. Die GIZ arbeitet mit ihren Partnern vor Ort in mehr als 45 Projekten und unterstützt das Land in seiner wirtschaftspolitischen und demokratischen Entwicklung. Schwerpunkte sind: Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungsförderung, dezentrale Entwicklung und Regierungsführung, Schutz natürlicher Ressourcen sowie Energie und Klima.

Ein spezieller Fokus des BMZ in Tunesien liegt im Rahmen der Deutsch-Tunesischen Partnerschaft zur Beschäftigungsförderung auf der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Zwischen 2012 und 2015 war es unter dem „Beschäftigungspakt Tunesien“ („Pacte pour l’Emploi Tunisie“) Ziel, eine höhere Qualität der beruflichen Bildung zu erreichen und einen Beitrag zur ökonomischen Stabilisierung und erfolgreichen Demokratisierung Tunesiens zu leisten. Im Rahmen des Programms wurden vom tunesischen Ministerium für Berufsbildung zunächst neun Berufsbildungszentren der Tunesischen Agentur für berufliche Bildung (Agence Tunisienne de la Formation Professionnelle, ATFP, Internetauftritt in Arabisch) ausgewählt, die direkte Empfänger der Unterstützungsmaßnahmen waren (siehe imove 2017: Marktstudie Tunesien für den Export beruflicher Weiterbildung, S. 44 ff.). Zu den derzeit laufenden Projekten zählt „Überbetriebliche Ausbildung mit dem Privatsektor in Tunesien II“ (2023-26). Projektziel ist es, die Privatwirtschaft in das tunesische Berufsbildungssystem stärker mit einzubeziehen und Qualität sowie Arbeitsmarktrelevanz der Ausbildung zu verbessern. Beteiligt sind das BMZ, die GIZ sowie das tunesische Arbeitsministerium. In einem „PartnerAfrika-Projekt" im Rahmen der Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung“ (2022-24) soll gemeinsam mit dem tunesischen Arbeitgeberverband UTICA sowie der staatlichen Berufsschule CFA-BH in der Region Sfax eine moderne Aus- und Weiterbildung zum KFZ-Mechatroniker aufgebaut werden.

Die Weltbankgruppe und das BMZ haben im Januar 2019 ihre verstärkte Partnerschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit sechs afrikanischen Ländern, die Mitglieder der „G20-Compact-with-Africa-Initiative" sind, bekannt gegeben (siehe vorheriger Abschnitt). In Nordafrika gehören Marokko und Tunesien dazu. Die neue Partnerschaft deckt unter anderem die Sektoren erneuerbare Energien, Modernisierung von Stromnetzen, Aus- und Weiterbildung, Investitionspolitik und Landreformen sowie die Entwicklung des Automobilsektors ab.

Es folgt eine Auswahl von Einrichtungen vor Ort, die die deutsch-tunesische Kooperation tragen und unterstützen:

  • Der DAAD betreibt seit 2012 ein Informationszentrum in Tunis, welches nach der Umwandlung 2020 in eine DAAD-Außenstelle für den gesamten Maghreb zuständig ist. In den ersten fünf Jahren wurden über 10.000 Studien- und Kooperationsinteressierte im DAAD Büro persönlich beraten. Hinzu kommen regelmäßige Sprechstunden der DAAD-Lektorate in Algerien, Tunesien und Marokko. Mehrfach pro Jahr veranstaltet der DAAD im gesamten Maghreb Info-Tage zu „Studieren und Forschen in Deutschland“, die regelmäßig mehr als 1000 Besucher erreichen (siehe Broschüre „Der DAAD im Maghreb“).
  • Die GIZ arbeitet seit 1975 vor Ort in Tunesien. 1999 wurde ein Büro in Tunis eröffnet, das aktuell über 300 Beschäftigte hat (GIZ Tunesien).
  • Im März 2017 hat die GIZ in Tunis ein Migrationsberatungszentrum eröffnet, um Einheimische zu Chancen auf dem deutschen und tunesischen Arbeitsmarkt zu beraten.
  • Die „Maria Sibylla Merian Centres for Advanced Studies“ sind internationale Forschungskollegs für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, die vom BMBF finanziert werden. Ab März 2020 beherbergt die Université de Tunis für zunächst drei Jahre das Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb (MECAM). Das Leitthema lautet „Imagining Futures – Dealing with Disparity“. Die Koordination liegt beim Centrum für Nah- und Mitteloststudien (CNMS) an der Philipps-Universität Marburg, dazu kommen verschiedene deutsche Partner. In Tunesien beteiligen sich außerdem die Université de Sfax sowie das Institut Tunisien des Études Stratégiques (ITES) in Tunis. Weitere Standorte des Zentrums sind in Casablanca und Beirut geplant. 2023 wurde nach einer positiven Evaluation beschlossen, dass die Arbeit bis Ende 2029 mit einer Gesamtfördersumme von 9,2 Millionen Euro fortgesetzt werden kann.

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3Weitere Informationen

Nähere Informationen zu Tunesien erteilt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) der DLR Projektträger.

Fachliche Ansprechpartnerin für Tunesien ist:
Frau Tanja Woronowicz
DLR Projektträger
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
Tel: +49 228 3821 2741
E-Mail: tanja.woronowicz(at)dlr.de

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