StartseiteLänderAmerikaBrasilienZusammenfassungÜberblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik

Überblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik: Brasilien

Brasilien ist einer der weltweit wichtigen Standorte für Forschung und Entwicklung (FuE). MIt FuE-Ausgaben in Höhe von 36,1 Milliarden USD (kaufkraftbereinigt, Bezugsjahr 2018) belegt Brasilien im globalen Vergleich Rang 11 hinter Italien und vor Kanada (eigene Berechnungen auf der Basis der OECD- und UNESCO-Daten). In Bezug auf die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen platzierte sich Brasilien 2022 auf Rang 14 (Quelle: SCImago. SJR — SCImago Journal & Country Rank. Retrieved June 11, 2023 from www.scimagojr.com).

Auch wenn die absoluten Investitionen Brasiliens im weltweiten Vergleich hoch sind, liegt die FuE-Intensität, das heißt der Anteil der gesamten FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) weiterhin bei nur etwa 1,2 Prozent und damit deutlich unter dem durchschnittlichen Anteil für diejenigen Industrieländer, die sich in der OECD zusammen geschlossen haben (siehe FuE-Indikatoren). Innerhalb von Lateinamerika nimmt Brasilien allerdings mit der FuE-Intensität von 1,2 Prozent eine Spitzenstellung mit großem Abstand vor allen anderen Ländern der Region ein. Auch andere Daten unterstreichen, dass Brasilien eine Führungsrolle in der Region zukommt: 62 Prozent der gesamten FuE-Ausgaben Lateinamerikas werden in Brasilien investiert. Mexiko und Argentinien folgen mit Anteilen von 13 und 9 Prozent erst mit weitem Abstand (siehe Bericht Ricyt 2023: El Estado de la Ciencia. Red de Indicadores de Ciencia y Tecnología - Iberoamericana e Interamericana, S. 18). 

Schwächer schneidet Brasilien in Bezug auf Innovation ab: Im Global Innovation Index (GII) 2022, in dem Innovationsleistungen der Länder weitgehend unabhängig von absoluten Größenordnungen bewertet werden, liegt Brasilien im weltweiten Vergleich auf Rang 54. Damit hat Brasilien innerhalb von Lateinamerika Mexiko und Costa Rica überholt und platziert sich hinter Chile auf Rang 2.

Die brasilianische Forschungs- und Innovationspolitik wird von dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation (Ministério da Ciência, Tecnologia, Inovações e Comunicações, MCTIC) gestaltet. Zuständig für die Bildungspolitik des Landes ist das Ministerium für Bildung (Ministério da Educação, MEC). Das MEC ist neben der Schul- und Hochschulbildung auch für die Berufsbildung verantwortlich.

Es bestehen über 2.400 Einrichtungen für tertiäre Bildung in Brasilien. Der überwiegende Teil davon sind private Institutionen, die ein eingeschränktes Spektrum an Fächern anbieten (faculdades). Lediglich 197 davon haben den Rang einer Universität, die Qualität der 108 öffentlichen Universitäten gilt als sehr gut. In Brasilien legt die Verfassung fest, dass an öffentlichen Hochschulen (Universitäten, universitäre Zentren und faculdades) grundsätzlich keine Studiengebühren erhoben werden dürfen. Die Anzahl der Studienplätze ist jedoch beschränkt und der Zugang wird nach ausgewählten Kriterien wie den Ergebnissen einer national einheitlichen schulischen Abschlussprüfung, aber auch universitätseigenen Zugangsprüfungen (vestibular) gewährt (siehe OECD (2018), Rethinking Quality Assurance for Higher Education in Brazil, S. 76). Im Ergebnis schreiben sich etwa 75 Prozent der Studierenden an privaten Hochschulen ein, an denen meist Gebühren erhoben werden. Zur Unterstützung vergibt der brasilianische Staat Stipendien.

Trotz des starken Wachstums der absoluten Studierendenzahlen auf über 8,3 Millionen hat Brasilien im internationalen Vergleich noch erheblichen Nachholbedarf: Der Anteil der 25-34-Jährigen, die einen tertiären Bildungsgang abgeschlossen hatten, lag bis 2017 deutlich unter 20 Prozent. Erst 2018 wurde die 20-Prozentmarke überschritten (siehe Bildungsindikatoren). Ein wichtiges bildungspolitisches Ziel Brasiliens unter dem Nationalen Bildungsplan ist es daher, den Anteil der Studierenden in der Altersgruppe der 18-24-Jährigen auf 33 Prozent zu steigern (siehe Plano Nacional de Educação 2014 - 2024, PNE).

In den Universitäten der südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Brasiliens, v. a. in São Paulo, Minas Gerais, Rio de Janeiro und Rio Grande do Sul, entsteht der überwiegende Teil der wissenschaftlichen Produktion des Landes. Die drei wichtigsten Forschungsuniversitäten des Landes stehen in der Trägerschaft des Bundesstaates São Paulo. Hier gibt es auch bedeutende außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Nationale Zentrum für Energie- und Materialforschung (CNPEM), das Institut für Technologieforschung São Paulo (IPT) oder das Nationale Weltraumforschungsinstitut (INPE). Kooperation International bietet ein Porträt zu der Hightech-Region São Paulo an.

Übergeordnetes Ziel der Nationalen Strategie für Wissenschaft, Technologie und Innovation 2016 - 2022 (ENCTI, Estratégia Nacional de Ciência, Tecnologia e Inovação) ist es,  Brasilien auf eine Wissenschaftsgesellschaft vorzubereiten und das brasilianische Wissenschaftssystem auszubauen. Die Strategie spricht Maßnahmen in einem breiten Feld an Themen an, u.a. Gesundheitsforschung, Raumfahrt und Verteidigung, Bioökonomie, Klima, digitale Gesellschaft, Wirtschaftsstrategische Rohstoffe oder Energie.

Im Jahr 2013 wurde die Brasilianische Agentur für Industrielle Forschung und Innovation EMBRAPII gegründet. Die etwa 40 akkreditierten EMBRAPII-Einheiten können auf eine Finanzierung durch die Regierung  zurückgreifen, wenn sie Innovationsprojekte in Kooperation mit Unternehmen durchführen.

Die brasilianische Regierung wird seit Anfang 2019 von dem neuen Präsidenten Bolsonaro geführt, das Bildungsressort wird seit April 2019 von dem Ökonomen Abraham Weintraub geleitet. Zum Minister für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation wurde der ehemalige Astronaut Marcos Pontes ernannt.

Per Dekret hat die brasilianische Regierung im April 2019 42 Prozent des Budgets des Wissenschaftsministeriums eingefroren. Die verbliebene Summe von 660 Mio. EUR entspricht nur noch einem Bruchteil der Mittel, die dem Ministerium vor fünf Jahren zur Verfügung standen. Die eingefrorenen Mittel sollen nur im Fall eines unerwartet hohen Wirtschaftswachstums freigegeben werden.

 

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