Bildungspolitische Ziele und Programme

Die Reform des Berufsbildungssystems in England wurde bereits unter dem Abschnitt Berufliche Bildung beschrieben (Überblick „Post-16 Skills Plan“ 2016). In der Industriestrategie („Industrial Strategy: Building a Britain Fit for the Future”, White Paper) von 2017 hat die Regierung ihre Ambition bekräftigt, in England zukünftig ein technisches Ausbildungssystem von Weltklasse aufzubauen.

Ein Teil der Anstrengungen richtet sich darauf, den Bildungsstand in Mathematik und den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern (STEM) anzuheben, da die Wirtschaft massive Schwierigkeiten beklagt, Personal mit den entsprechenden Qualifikationen zu finden. Die Regierung stärkt daher die schulische Bildung und hat zusätzlich in Schlüsselbranchen der britischen Wirtschaft fünf sogenannte National Colleges gegründet, die Abschlüsse auf den Levels 4-6 (Bachelor) anbieten (High Speed Rail, Nuclear, Onshore Oil and Gas, Creative and Cultural Industries, Digital Skills). Universitäten, Weiterbildungseinrichtungen und Unternehmen haben sich zusammen geschlossen, um im Rahmen eines Netzwerks der Institutes of Technology (IoTs) Abschlüsse in technischen Fächern auf den Levels 4-5 anzubieten.

Die vergleichsweise hohen Studiengebühren insbesondere für Bachelor-Studierende in England und Wales sind politisch umstritten. Im Wahlkampf 2017 konnte die Labour-Opposition mit der Forderung punkten, die Studiengebühren für das grundständige Studium abzuschaffen. Die konservative Regierung führte daraufhin 2017 eine Reform ein, nach denen die Hochschulen in England und Wales künftig auch verkürzte Bachelorstudiengänge anbieten können, die die gleichen Inhalte in zwei statt in drei Jahren vermitteln sollen. Während die Studiengebühren entsprechend höher sein dürfen, sollen sich für den Studierenden aufgrund der kürzeren Studienzeiten dennoch Einsparungen bei den Lebenshaltungskosten ergeben (siehe DAAD-Bildungssystemanalyse 2018).

Um Studierende besser für einen zunehmend anspruchsvolleren Arbeitsmarkt zu qualifizieren, hat die Regierung die Möglichkeit, einen Kredit zur Studienfinanzierung aufzunehmen, auf die Postgraduiertenstudiengänge (Master, Promotion) ausgedehnt. Die Studierendenzahlen in den Masterstudiengängen stiegen darauf hin deutlich an (siehe DAAD-Bildungssystemanalyse 2018).

Die britische Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, hat die bildungspolitischen Diskussionen der letzten Jahre ebenfalls beeinflusst. Vor dem Austritt genossen Studierende aus EU-Ländern gewisse Privilegien in Bezug auf Studiengebühren und Darlehen („home fee status“): In England galten dieselbe Beschränkung der Gebühren wie für einheimische Studierende, in Schottland mussten Bachelor-Studierende aus EU-Ländern keine Studiengebühren zahlen. Auch konnten Studierende aus EU-Ländern wie einheimische Studierende bisher günstige Kredite der Regierung zur Studienfinanzierung in Anspruch nehmen. Diese Privilegien sind nach dem Brexit entfallen.

Tatsächlich sind die Bewerbungen aus EU-Ländern stark zurückgegangen und Hochschulen in Großbritannien haben 2021 rund 50 Prozent weniger Studierende aus der EU angenommen als im Vorjahr. Im Gegenzug stieg die Anzahl der Studierenden aus Nicht-EU-Ländern stark an (Siehe Bericht The benefits and costs of international higher education students to the UK).

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Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme

2021 stellte der damalige Wirtschaftsminister die Innovationsstrategie des Landes (UK Innovation Strategy) vor, die insbesondere die Erfahrungen mit der Bewältigung der Covid-19-Pandemie berücksichtigte. Ziel ist es, bis 2024 die jährlichen öffentlichen Investitionen in Forschung und Innovation auf 22 Milliarden GBP zu erhöhen und einen Anteil der Gesamtausgaben für FuE am BIP von 2,4 Prozent zu erreichen (siehe oben). Die Strategie ruht auf vier Säulen:

  • Unleashing Business“: innovationswillige Unternehmen durch die Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel zu fördern;
  • People”: das Königreich als einen globalen Magneten für talentierte Innovationsschaffende zu positionieren;
  • Institutions and Places”:  sicher zu stellen, das institutionelle Innovationskapazitäten überall im Königreich aufgebaut werden;
  • Missions and Technologies”:  Innovation und Technologien gezielt zu stimulieren, welche dem Königreich einen strategischen Vorteil sichern und für die Bewältigung der großen Herausforderungen kritische sind.

Im März 2023 stellte Premierminister Risihi Sunak den sogenannten Wissenschafts- und Technologierahmen („Science and Technology Framework“) vor, der von dem neu eingerichteten Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Technologie erarbeitet worden war. Dieser umfasste insgesamt 10 Prioritäten, die jeweils mit einem Aktionsplan unterlegt wurden. Sowohl der sogenannte „Integrated Review 2023” für Sicherheitspolitik als auch der Wissenschafts- und Technologierahmen haben bestimmte Technologien als prioritär eingestuft (siehe unter Fachliche Stärken“).

Überwacht werden soll die Umsetzung durch den Nationalen Wissenschafts- und Technologierat (National Science and Technology Council, NSTC). Zu dem Maßnahmenpaket gehört die Erprobung neuer Modelle der Wissenschaftsfinanzierung, um etwa die Zusammenarbeit von Forschungsorganisationen mit Industrie und philanthropischen Partnern zu stärken. Außerdem soll durch die Ausgestaltung wissenschaftlicher Standards und Reformen des öffentlichen Beschaffungswesens ein günstiges Umfeld für Innovation geschaffen werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von wissenschafts- und technologiebasierten Start-Ups. Im März 2023 wurde bekannt gegeben, dass der UK Innovation and Science Seed Fund um 10 Millionen GBP auf dann über 50 Millionen GBP aufgestockt.

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Ergebnisse von Evaluierungen

Eine der einflussreichsten Evaluierungen der letzten Jahre war der sogenannte Sainsbury Review, der zu einer umfassenden Reform des britischen Ausbildungssystems (siehe unter Berufliche Bildung) geführt hat (Überblick Dokumente zur Reform der Berufsbildung). Allerdings kamen die OECD und die britische gemeinnützige Organisation CIPD in zwei 2017 durchgeführten Studien (OECD-Bericht (2017) und CIPD-Bericht (2017)) kurz nach Verkündigung der Reform zu dem Schluss, dass es gerade im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu viele nicht durchdachte und inkonsistente Reformen gegeben habe, die unzureichend evaluiert wurden („There has been little consistency, with endless changes in institutions, structures, incentives, targets and policy priorities made worse by constant changes in ministerial and departmental responsibilities and oversight“, CIPD-Bericht, S. 10). Die OECD empfiehlt daher, zukünftig Pilotmaßnahmen einzusetzen, um größere Reformvorhaben vorzubereiten. Zudem müsse verstärkt Evaluierung von Reformen eingesetzt werden.

Im britischen Forschungs- und Innovationssystem eine starke Evaluierungskultur, die sich sowohl auf das System insgesamt, als auch auf Hochschulen und Regionen und auf politische Instrumente und Institutionen erstreckt. So veröffentlicht die Regierung in regelmäßigen Abständen bibliometrische Studien zur Leistungsfähigkeit des britischen Forschungssystems im internationalen Vergleich.

Auch Institutionen und Fördermaßnahmen werden häufig evaluiert. Zu den wichtigsten Studien der letzten Jahre gehören:

2023 wurden die Ergebnisse einer Umfrage publiziert. Befragt wurden Unternehmen, die mit den seit 2011 eingerichteten CATAPULT-Forschungszentren (siehe unter Forschungs- und Förderorganisationen) zusammen gearbeitet haben. Mehr als 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gaben an, dass die Kooperation sowohl den Innovationsprozess beschleunigt als auch die Qualität der Innovation verbessert habe. Für 90 Prozent der befragten Unternehmen haben die Catapults eine wichtige Rolle bei der Anbahnung von Partnerschaften mit anderen innovativen Unternehmen gespielt und so langfristig zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit beigetragen. Im Herbst 2022 gab die britische Regierung bekannt, die Mittel für das Catapult-Netzwerk deutlich zu erhöhen: Die Unterstützung steigt um 35 Prozent auf 1,6 Milliarden GBP (1,84 Mrd. EUR) für die kommenden fünf Jahre.

Zwei einflussreiche Evaluierungen legen den Fokus auf Strukturierung und Funktionsweise der britischen Forschungslandschaft. Der britische Nobelpreisträger Paul Nurse kam im ersten Nurse Review 2015 („Ensuring a successful research endeavour: review of the UK research councils“) zu dem Ergebnis, dass die Strukturierung der Forschungsräte anhand von Disziplinen erhalten werden sollte. Gleichzeitig könnte eine neue Dachorganisation für eine bessere Koordinierung sorgen. Die Ergebnisse wurden bei der Gründung der Dachorganisation UKRI berücksichtigt, die im April 2018 ihre Arbeit aufnahm. 2021 erhielt Paul Nurse erneut einen Auftrag zur Evaluierung der britischen Forschungslandschaft. Die Ergebnisse wurden im Frühjahr 2023 publiziert. Die 29 Empfehlungen des zweiten Nurse Review 2023 basieren auf fünf Grundgedanken:

  • Forschung und Innovation sind anerkannte Treiber von Fortschritt und Wohlstand. Sie stehen daher im Fokus zahlreicher politischer Initiativen in Großbritannien, die aber nur ungenügend aufeinander abgestimmt sind. Dies damit einhergehende Unruhe muss durch langfristige klare Zielsetzungen vermieden werden.
  • Die Leistungsfähigkeit des britischen Forschungssystem wird beeinträchtig, da verschiedene forschungsdurchführende Sektoren zu abgeschottet voneinander sind.  Es braucht mehr Durchlässigkeit und Kooperation, insbesondere zwischen Hochschulen und Wirtschaft.
  • Eine nachhaltige Finanzierung von Forschung und Innovation ist entscheidend. Dazu gehört, dass nicht nur die direkte Forschungsausgaben vom Staat getragen werden, wichtig ist auch eine Finanzierung von damit verbundenen Ausgaben für Administration und Forschungsinfrastrukturen (Laborkosten). Nurse bezeichnet dies als „end-to-end” Finanzierung von Forschungsaktivitäten.
  • Aufwüchse bei der Finanzierung sollten proaktiv genutzt werden, um den außeruniversitären öffentlichen Forschungssektor zu stärken, der in Großbritannien bisher vergleichsweise wenig Mittel erhält.
  • Bei der Ausgestaltung des Berichtswesens und der Evaluierung („Review, reporting and audit“) ist darauf zu achten, dass keine exzessive Bürokratie entsteht, welche Quantität der Forschung gegenüber Qualität belohnt und so die falschen Anreize setzt.

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Projektträger