Überblick zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft und -politik: Vereinigtes Königreich (Großbritannien)
Das Vereinigte Königreich besteht aus den autonomen Teilstaaten England, Schottland, Wales und Nordirland. Streng genommen umfasst die Bezeichnung Großbritannien nur England, Schottland und Wales. In dem nachfolgenden Text wird allerdings, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend Großbritannien als eine andere Bezeichnung für das Vereinigte Königreich benutzt (Vereinigtes Königreich (Großbritannien)). Dies gilt ebenfalls für die Nutzung des Begriffs Großbritannien in Nachrichten und Institutionenlinks in der Marginalspalte rechts sowie im folgenden Länderbericht.
In Großbritannien haben die Landesteile Schottland, Wales und Nordirland im Zuge der Devolution eigene Bildungsministerien sowie Wirtschaftsministerien eingerichtet. Sie sind zuständig für die Regulierung der beruflichen Ausbildung und für Studiengebühren an den Hochschulen. Zudem haben sie die Verantwortung für institutionelle Forschungsfinanzierung an den Hochschulen erhalten und führen Maßnahmen zur Innovationsförderung durch. Die Zuständigkeit für die strategische Ausrichtung der Forschungspolitik und die wettbewerbliche Forschungsfinanzierung durch die Forschungsräte liegt jedoch weiterhin bei der britischen Zentralregierung.
Im Juli 2016 wurde Regierung in Folge des Rücktritts des damaligen Premierministers David Cameron nach dem EU-Mitgliedschaftsreferendum Großbritanniens über den Austritt aus der Europäischen Union („Brexit“ = „British Exit“). umgebildet. Unter der damaligen Premierministerin Theresa May erhielt das Bildungsministerium (Department of Education, DoE) die umfassende Zuständigkeit für alle Bildungssektoren in England, einschließlich Berufsbildung und Hochschulbildung.
Traditionell wird berufliche Bildung in England vor Allem über Schulen und Kollegs vermittelt. Ein Kennzeichen ist dabei die unüberschaubare Vielzahl von Anbietern und Abschlüssen. Ab 2020 wird die Anzahl der Abschlüsse für die erste Phase für das Alter von 16-18 Jahre beschränkt und die Anbieter einer Lizenzvergabe unterworfen („Post-16 Skills Plan“). Weiterhin strebt die britische Regierung an, die Anzahl der betrieblichen Ausbildungen („Apprenticeships“) in England deutlich zu erhöhen.
Bis zum Jahr 2022 war man davon ausgegangen, dass die gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in Großbritannien bei etwa 55 Mrd. USD (kaufkraftbereinigt) lagen. Dies entsprach einem relativ geringen Anteil von 1,7 Prozent der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt, womit die FuE-Intensität Großbritanniens deutlich unter dem OECD-Durchschnitt lag. 2022 wurde jedoch bekannt, dass das britische Amt für Statistik in ihren Erhebungen die Ausgaben der einheimischen britischen Wirtschaft für FuE bisher nur unvollständig berücksichtigt hatte, insbesondere im Hinblick auf die Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMUs). In Folge geänderter Erhebungsmethoden ab 2023 ergaben sich laut OECD für das Jahr 2021 erstmals britische FuE-Ausgaben, die fast doppelt so hoch lagen. Die britischen Ausgaben für 2023 betragen knapp 100 Milliarden (USD) (kaufkraft- und inflationsbereinigt 98,5 Milliarden USD und kaufkraftbereinigt 106 Milliarden USD). Die FuE-Intensität (das heißt der Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt) von 2,7 Prozent entspricht nun den OECD-Durchschnitt (siehe FuE-Indikatoren). Durch die Neuberechnung hat Großbritannien zudem Frankreich und Indien überholt und sich im weltweiten Vergleich von Rang 8 auf Rang 6 verbessert.
Sehr gut platziert ist das Land traditionell in Bezug auf die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen: Zwar wurde Großbritannien 2022 erstmals von Indien überholt und auf Rang 4 verdrängt. Jedoch ist Großbritannien 2024 weiterhin vor Deutschland auf Rang 5 platziert (Quelle: SCImago. SJR — SCImago Journal & Country Rank. Retrieved April 22, 2025, from https://www.scimagojr.com).
Ebenfalls eine gute Platzierung erreicht das Königreich im Global Innovation Index (GII) 2025, in dem Innovationsleistungen der Länder weitgehend unabhängig von absoluten Größenordnungen bewertet werden Nachdem Großbritannien zwischen 2020 und 2024 regelmäßig Rang 4 belegt hatte, ist das Land 2025 auf Rang 6 etwas zurückgefallen (siehe GII Profil Vereinigtes Königreich). Damit liegt Großbritannien hinter dem Spitzenreiter Schweiz sowie Schweden, den USA, Südkorea und Singapur, jedoch vor Deutschland (Rang 11) und Frankreich (Rang 13).
Großbritannien zählt zu den wenigen Ländern, in denen für Forschung, Entwicklung und Innovation in Unternehmen und in Hochschulen ein und dasselbe „Superministerium“ seit 2009 zuständig ist. Bis 2023 war dies das Wirtschaftsministerium mit unterschiedlichen Ressortzuschnitten und weiteren Zuständigkeiten wie beispielsweise zusätzlich für Energie und Klimawandel. Im Februar 2023 hat die Regierung unter Premierminister Rishi Sunak ein eigenes Ministerium speziell für Wissenschaft, Innovation und Technologie geschaffen („Department for Science, Innovation and Technology“). Parallel dazu wurden wichtige Strategiedokumente zur Forschungs- und Innovationspolitik veröffentlicht (s. unten).
Innerhalb des öffentlichen Forschungssektors spielen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine untergeordnete Rolle. Großbritannien hat länger als die meisten anderen Länder gezögert, öffentlich finanzierte Einrichtungen für industrienahe Forschung (ähnlich wie Fraunhofer) einzurichten. Erst ab 2011 wurden die sogenannten CATAPULT-Zentren geschaffen. 2022 entschied die Regierung, das Programm um fünf Jahre zu verlängern und auszubauen.
Die britischen Hochschulen dominieren mit einem Anteil von 80 Prozent der FuE-Ausgaben den öffentlichen Sektor. 24 führende britische Forschungsuniversitäten sind seit 2007 in der „Russell Group“ zusammengeschlossen. In internationalen Hochschulrankings sind besonders die Spitzenuniversitäten Oxford und Cambridge hervorragend platziert.
Im britischen Forschungs- und Innovationssystem gibt es insgesamt eine stark ausgeprägte Evaluierungskultur, die sich sowohl auf das System insgesamt, als auch auf Hochschulen und Regionen, politische Instrumente und Institutionen erstreckt. Auch die Vergabe von institutioneller Forschungsfinanzierung an Hochschulen richtet sich nach wettbewerblichen Qualitätskriterien („quality-related funding“), basierend auf einer umfassenden Bewertung der Forschungsleistungen der Hochschulen.
Bei der wettbewerblichen FuE-Förderung hält Großbritannien auch nach der Reform von 2018 an dem Erhalt von sieben fachlich spezialisierten Forschungsräten fest. Seit April 2018 werden die Aktivitäten von der neuen Dachorganisation United Kingdom Research and Innovation (UKRI) koordiniert. Die unter UKRI zusammen geschlossenen sieben Forschungsräte sowie die Förderorganisationen Research England und Innovate UK (Fokus liegt auf Unternehmen) vergeben zusammen etwa 6 Milliarden GBP pro Jahr an Fördermitteln.
Die traditionsreichen britischen Akademien, die Royal Society, die Royal Academy of Engineering (RAE), die British Academy (BA) und die Academy of Medical Sciences (AMS) vergeben ebenfalls wettbewerbliche Förderung für FuE in den ihnen zugeordneten Disziplinen, vor allem an die Hochschulen. Der britische Wellcome Trust ist eine private gemeinnützige Einrichtung, die dank stetig wachsender Fördermittel inzwischen zu den „Global Players“ bei der Förderung von Gesundheitsforschung gehört.
Der Schwerpunkt der Ausgaben für FuE in Unternehmen (BERD) liegt im Sektor Dienstleistung. Bei der industriellen Fertigung liegen Arzneimittel und Medizintechnik an erster Stelle.
Der Government Chief Scientific Advisor (GCSA) leistet wissenschaftliche Politikberatung für die britische Regierung und untersteht direkt dem Premierminister bzw. der Premierministerin. Er oder sie ist nicht nur für Wissenschafts- und Technologiepolitik zuständig, sondern auch dafür, dass das Kabinett in seinen politischen Entscheidungen insgesamt wissenschaftliche Erkenntnisse und wissenschaftsbasierte Empfehlungen nutzt. Der unabhängige Council for Science and Technology (CST) leistet dagegen vor allem Beratung zu ressortübergreifenden Fragen der Wissenschafts- und Technologiepolitik.
2021 stellte der damalige Wirtschaftsminister die Innovationsstrategie des Landes vor, die insbesondere die Erfahrungen mit der Bewältigung der Covid-19-Pandemie berücksichtigte. Ziel war es, bis 2024 die jährlichen öffentlichen Investitionen in Forschung und Innovation auf 22 Milliarden GBP zu erhöhen und einen Anteil der Gesamtausgaben für FuE am BIP von 2,4 Prozent zu erreichen (siehe oben). Die Strategie ruht dabei auf vier Säulen:
- „Unleashing Business“: innovationswillige Unternehmen durch die Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel zu fördern;
- „People”: das Königreich als einen globalen Magneten für talentierte Innovationsschaffende zu positionieren;
- „Institutions and Places”: sicher zu stellen, das institutionelle Innovationskapazitäten geografisch verteilt in allen Regionen Großbritanniens aufgebaut werden;
- „Missions and Technologies”: solche Innovationen und Technologien gezielt zu stimulieren, welche dem Königreich einen strategischen Vorteil sichern und für die Bewältigung der großen Herausforderungen kritisch sind.
Vor dem Hintergrund einer Wachstumsschwäche und großen Haushaltsdefiziten ist es das wichtigste Ziel der britischen Labour Regierung, ein solides langfristiges Wirtschaftswachstum anzuschieben. Die einschlägigen Strategiedokumente sind daher auf vielversprechende Zukunftssektoren ausgerichtet: Die neue Industriestrategie („UK’s Modern Industrial Strategy 2025“) zusammen mit den sogenannten Sektorplänen wie beispielsweise dem „Digital and Technologies Sector Plan“, „Life Sciences Sector Plan“ und „Defence Industrial Strategy 2025: Making Defence an Engine for Growth" sollen dabei Akzente setzen. Damit verbunden ist eine Konzentration finanzieller staatlicher Unterstützung auf die benannten Zukunftssektoren und Schlüsseltechnologien wie fortschrittliche Konnektivitätstechnologien, Künstliche Intelligenz, Engineering Biology, Quantentechnologien und Halbleiter. Benannt werden diese Schlüsseltechnologien im „Digital and Technologies Sector Plan“, im „Science and Technology Framework”, Version April 2025, ebenso wie in der 2023 von der konservativen Vorgängerregierung publizierten Internationalen Technologiestrategie („The UK's International Technology Strategy"). Staatliche Förderung soll nach Ansicht der britischen Labour Regierung zukünftig a) auf Sektoren konzentriert werden, in denen Großbritannien bereits aktuell Wettbewerbsvorteile genießt, und b) auf Unternehmen, die das Potential haben, sich zu Industrieriesen hin zu entwickeln (UK Government Press Release, „More targeted R&D investment towards driving UK growth and jobs unveiled by Technology Secretary“, 24 November 2025).
Weitere InformationenLinks/Institutionen
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Großbritannien: DfE - Bildungsministerium
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Großbritannien: DSIT - Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Technologie
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Großbritannien: IfA - Institute for Apprenticeships and Technical Education
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Großbritannien: UUK - Universities UK
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Großbritannien: CATAPULT-Forschungszentren
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Großbritannien: UKRI - United Kingdom Research and Innovation
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Großbritannien: Research England
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Großbritannien: Innovate UK
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Großbritannien: RS - Royal Society
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Großbritannien: RAE - Royal Academy of Engineering
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Großbritannien: British Academy
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Wellcome Trust
Nachrichten
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Links/Institutionen
- Großbritannien: DfE - Bildungsministerium
- Großbritannien: DSIT - Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Technologie
- Großbritannien: IfA - Institute for Apprenticeships and Technical Education
- Großbritannien: UUK - Universities UK
- Großbritannien: CATAPULT-Forschungszentren
- Großbritannien: UKRI - United Kingdom Research and Innovation
- Großbritannien: Research England
- Großbritannien: Innovate UK
- Großbritannien: RS - Royal Society
- Großbritannien: RAE - Royal Academy of Engineering
- Großbritannien: British Academy
- Wellcome Trust