Während die Agenda der neuen Trump-Administration bisher fast ausschließlich von Präsidial-Verordnungen und damit zusammenhängenden Gerichtsverfahren geprägt war, hat nun erstmals der Kongress zu einem großen politischen Vorhaben des US-Präsidenten ein Gesetz verabschiedet.
Forschung, Innovation und Wissenschaft werden in dem 870 Seiten umfassenden Gesetzestext nicht gesondert betrachtet, sondern sind Teil des umfassenden Gesamtpakets zur Steuerung der Wirtschafts- und Staatsfinanzen. Daraus ergeben sich sowohl direkte als auch indirekte Effekte.
Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung
Ein zentraler Aspekt von H.R.1 mit unmittelbaren Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung (FuE) betrifft die steuerliche Behandlung von FuE-Ausgaben ("R&E Expensing"). Das Gesetz ermöglicht den Unternehmen nun eine erhebliche Flexibilisierung. So wird die sofortige steuerliche Absetzbarkeit wieder eingeführt – in bestimmten Fällen sogar rückwirkend bis ins Jahr 2022. Alternativ kann die Abschreibung über längere Zeiträume zwischen 5 und 10 Jahren erfolgen. Diese Regelungen gelten jedoch ausschließlich für inländische Unternehmen. Ausländische FuE-Ausgaben müssen unverändert über 15 Jahre abgeschrieben werden.
Insbesondere für die Raumfahrt sind Sondermittel in Höhe von rund 10 Milliarden USD in H.R.1 festgeschrieben. Diese Mittel werden dem Haushalt 2025 zusätzlich zur Verfügung stehen und müssen bis spätestens 2034 ausgegeben werden. Sie sind für Missionen zum Mars, zum Mond (Artemis) und für das Mond-zum-Mars-Programm vorgesehen. Steuerliche Vorteile werden für kommerzielle Weltraumbahnhöfe eingeführt. Diese können künftig von den gleichen Steuervorteilen wie Flughäfen profitieren. Mit der Einführung von Nutzungsgebühren für Start und Rückkehr von Raumfahrzeugen wird zudem ein Fonds zur Finanzierung eines Büros für kommerzielle Raumfahrt bei der Federal Aviation Administration (FAA) eingerichtet.
Künstliche Intelligenz (KI) ist an mehreren Stellen des Gesetzes explizit erwähnt, etwa als Anwendungstechnologie im Verteidigungsbereich. Hierfür sind Sondermittel in Höhe von mehr als 1,4 Milliarden USD für das Haushaltsjahr 2025 vorgesehen. Diese stehen bis 2029 zur Verfügung. An das Energieministerium (DoE) ergeht zudem der Auftrag, transformative KI-Modelle zu entwickeln. Dafür sollen die National Laboratories mit der Industrie zusammenarbeiten, um sich selbstoptimierende KI-Modelle zu entwickeln. Anwendungsgebiete sind Mikroelektronik und neue Energietechnologien. Für diese Maßnahmen werden bis September 2026 ebenfalls Sondermittel in Höhe von 150 Millionen USD bereitgestellt.
Ein weiterer forschungspolitischer Ansatz des Gesetzes richtet sich gezielt an den Agrarsektor, insbesondere die Forschungszentren des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) sowie die "Land-Grant-Universitäten". Dabei handelt es sich um historisch afroamerikanische Hochschulen mit agrarwissenschaftlichem Profil, die eine zentrale Rolle in der landwirtschaftlichen Bildung und Forschung einnehmen. Haushaltsmittel für die "Specialty Crop Research Initiative" werden im Haushaltsjahr 2026 auf 175 Millionen USD nahezu verdoppelt. Zudem werden ab 2026 für jedes Haushaltsjahr 125 Millionen USD wettbewerbliche Forschungsfördermittel vergeben.
Des Weiteren werden verschiedene USDA-Programme bis zum Jahr 2031 verstetigt, beispielsweise das "Bioenergy Program for Advanced Biofuels", welches Innovationen im Bereich erneuerbare Energien im ländlichen Amerika ankurbeln soll.
In einigen Fällen werden bereits in anderen Gesetzen vorgesehene, jedoch unverwendete Mittel künftig gestrichen, darunter 850 Millionen USD für den "Public Wireless Supply Chain Innovation Fund" aus dem "CHIPS Act", Mittel für alternative Treibstoffe und emissionsarme Luftfahrttechnologie sowie Mittel für die "National Oceanic and Atmospheric Administration" (NOAA).
Die konkreten indirekten Effekte von H.R.1 auf das Wissenschafts- und Innovationssystem lassen sich derzeit noch nicht vollständig absehen. Zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen des Gesetzes zielen darauf ab, private Investitionen zu stimulieren und das Wirtschaftswachstum zu stärken. Ein dynamischeres wirtschaftliches Umfeld dürfte wiederum die Innovationsbereitschaft der Unternehmen erhöhen, da diese über mehr Kapital und Anreize verfügen, um in neue Technologien und Prozesse zu investieren.
US-amerikanische Hochschulen und Studierende
Hochschulfinanzierung
Private Hochschulen in den USA sollen über die Besteuerung ihrer Kapitalerträge zukünftig insgesamt deutlich stärker zur Staatsfinanzierung beitragen. Bisher galt für alle Einrichtungen mit mehr als 500 Studierenden ein einheitlicher Steuersatz von 1,4 Prozent. Unter die neue Regelung fallen Einrichtungen mit mehr als 3.000 Studierenden. Dabei wird ein gestaffelter Ansatz basierend auf der Relation der Kapitalerträge zur Zahl der eingeschriebenen Studierenden gewählt: Der niedrigste Steuersatz von 1,4 Prozent fällt bei Kapitalerträgen in Höhe von 500.000 bis maximal 750.000 USD je Studierendem an, zwischen 750.000 und 2 Millionen USD sind dies 4 Prozent, bei mehr als 2 Millionen USD wird ein Steuersatz von 8 Prozent veranschlagt. Im Ergebnis müssen die größten privaten Hochschulen (wie beispielsweise Harvard, Yale und Princeton) mit den höchsten Neubelastungen rechnen. Schätzungen zufolge wird das Gesetz beispielsweise für die Harvard-Universität jährliche Steuerkosten von über 200 Millionen USD verursachen. Hochschulvertreter befürchten spürbare Einbußen bei der finanziellen Stabilität und eine Beeinträchtigung der Forschungsleistungen.
Abgesehen von den direkten Auswirkungen der Steuerreform wird auch von einem indirekten Effekt des "One Big Beautful Bill Act" auf die Hochschulen in den USA ausgegangen. Diese erhalten vielfach finanzielle Unterstützung durch die US-amerikanischen Bundesstaaten. Aufgrund der neuen Gesetzeslage müssen die Bundesstaaten jedoch ab 2028 erhebliche Zusatzausgaben für das Krankenversicherungsprogramm Medicaid einkalkulieren. Es wird daher damit gerechnet, dass die Bundesstaaten bereits vor 2028 die finanzielle Unterstützung für Hochschulen zurückfahren werden.
Studienfinanzierung
Die Studienfinanzierung in den USA ist seit längerem Gegenstand einer intensiven politischen Debatte. Hintergrund ist, dass die Vergabe von Studienkrediten unter der Obama-Präsidentschaft stark ausgeweitet wurde. Kritische Stimmen argumentieren, dass diese Kreditvergabe den US-amerikanischen Hochschulen ermöglichte, ihre Studiengebühren massiv zu erhöhen ("tuition inflation") und für diese stark verteuerten Angebote weiterhin ausreichend Studierende zu finden. Im Ergebnis sind zahlreiche junge Akademikerinnen und Akademiker in den USA hoch verschuldet. Die Summe der noch nicht vollständig zurückgezahlten Studienkredite in den USA hat Ende 2024 insgesamt eine Höhe von 1,77 Billionen USD erreicht, die Anzahl der Kreditnehmerinnen und -nehmer liegt bei 45 Millionen. Wichtigste Finanzierungsquelle ist die US-Bundesregierung. Die Zurückzahlung der Kredite fällt insbesondere denjenigen Graduierten schwer, deren Studienabschlüsse sich auf dem Arbeitsmarkt schlecht verwerten lassen. So entstanden Forderungen an die Politik, großzügige Rückzahlungsmodelle zu schaffen, die schließlich auch eine Entschuldung ermöglichen. Trumps Amtsvorgänger, Präsident Biden, hatte dies teilweise umgesetzt, wurde aber durch die Rechtsprechung des "Supreme Court" eingeschränkt.
Das jetzt verabschiedete Gesetz sieht eine Reihe von Bestimmungen vor, die 2026 in Kraft treten: Die Bedingungen für Rückzahlungen werden verschärft und die Studierenden und Graduierten so stärker in die Pflicht genommen. Die Laufzeit der Standardoption ("standard plan") hängt von der Höhe des geliehenen Betrages ab, und beträgt normalerweise zwischen 10 und 25 Jahren. Das neue Unterstützungsprogramm zur Rückzahlung ("Repayment Assistance Plan") hat eine Laufzeit von 30 Jahren, bevor eine Entschuldung möglich ist. Bisherige Unterstützungsprogramme sahen dies bereits nach 20 bis 25 Jahren vor. Die Möglichkeit Zahlungen zu pausieren, etwa bei Arbeitslosigkeit, entfällt künftig. Auch die aktuellen Kreditnehmerinnen und -nehmer müssen ihre derzeitigen Darlehen bis 2028 umstellen.
Die Verwertbarkeit von grundständigen Studienabschlüssen auf dem Arbeitsmarkt soll durch folgende Maßnahme sichergestellt werden: Die Teilnahme an grundständigen Studiengängen (häufigster Abschluss ist der Bachelor) wird zukünftig nur noch durch Studienkredite gefördert, wenn Colleges nachweisen können, dass Graduierte des jeweiligen Studiengangs auf dem Arbeitsmarkt im Durchschnitt ein höheres Einkommen als Personen mit High-School-Abschluss erzielen. Nach vorläufigen Schätzungen könnten Programme betroffen sein, die etwa 1 Prozent der grundständigen Studierenden in den USA aufnehmen. Die Finanzierung dieser Studiengänge hängt aber im unterschiedlichen Maß von der Vergabe von Studienkrediten ab. Laut dem Portal Inside HigherEd ist dies bei "Community Colleges" insgesamt weniger der Fall.
Die Verfügbarkeit von Studienkrediten für Graduiertenstudiengänge wird ab Juli 2026 eingeschränkt. Bisher konnte dazu das Programm "Grad PLUS" in Anspruch genommen werden, welches keine Obergrenze für Kredite vorsah. Im letzten akademischen Jahr erhielten darunter mehr als 440.000 Personen Studienkredite in Höhe von 14 Milliarden USD. Alternativ konnte das Programm "Direct Unsubsidized Loans" mit einer Obergrenze von 138.500 USD genutzt werden. Unter dem neuen Gesetz wird "Grad PLUS" abgeschafft und die Obergrenze im Alternativprogramm auf 100.000 USD abgesenkt. Ausnahmen gelten für die Fächer Medizin und Jura, deren Abschluss ein hohes Einkommen verspricht: Hier wird eine Obergrenze von 200.000 USD eingeführt. Ziel ist es offenbar, die Verschuldung von Studierenden von vornherein zu begrenzen, während mittelbar eine weitere Verteuerung von Hochschulprogrammen verhindert werden soll.
Das Portal Inside HigherEd erläutert, dass Hochschulen im Ergebnis nun prüfen müssten, ob die Kosten ihrer Graduiertenprogramme (Master, Ph.D.) die neue Kreditgrenze überschreiten. Falls dies der Fall ist, müssten entweder die Kosten gesenkt oder mit einem Rückgang der Studierendenzahlen gerechnet werden. Als letzte Alternative könnten Hochschulen auch gezwungen sein, einzelne Graduiertenprogramme einzustellen. Kritische Stimmen merken an, dass Studierende aus ärmeren Familien voraussichtlich häufiger auf die Teilnahme an Graduiertenprogrammen verzichten werden, falls dadurch die Kreditobergrenze überschritten wird.
Positive Veränderungen bringen die Reformen für die Berufsbildung: Die "Pell Grants" – nicht rückzahlbare staatliche Zuschüsse für finanziell bedürftige Studierende – werden auf kurzzeitig angelegte Berufsbildungsprogramme ausgeweitet. Dies war ein Anliegen der "Community Colleges". Einschränkungen gibt es hingegen für Studierende, die ein Vollzeitstipendium für eine Universität erhalten, diese sind künftig nicht mehr antragsberechtigt.
Zum Nachlesen
- CONGRESS.GOV (03.07.2025): H.R.1 - One Big Beautiful Bill Act
- CONGRESS.GOV (03.07.2025): H.R.1 – Full Text (PDF)
- The White House (04.07.2025): President Trump’s One Big Beautiful Bill Is Now the Law
- Inside Higher Ed (10.07.2025): Trump Signed the ‘Big Beautiful Bill.’ What’s Next?
- Inside Higher Ed (04.07.2025): Trump Signs ‘Big, Beautiful Bill’ Into Law, Ushering in New Era for Higher Ed
- The Hill (01.07.2025): Senate passes big changes to student loans in reconciliation bill
- Inside Higher Ed (02.06.2025): Community Colleges Fear Proposed Changes to Pell
- Bloomberg Law (02.07.2025): GOP Tax Bill Would Eliminate Grad School Loans for Half Million
- statista (19.03.2025): Student loan debt in the United States - statistics and facts
- CNN (04.07.2025): Here’s who stands to gain from the ‘big, beautiful bill.’ And who may struggle